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Von Achim Müller , Judith Malter

Ehrlich, authentisch, empathisch Exklusiv-Interview: Manager Eberl verrät die ganze Gladbach-Wahrheit

Max Eberl, Manager von Fußball-Bundesligist Borussia Mönchengladbach. Auf diesem Foto ist der 48-Jährige am 6. Juli 2021 zu sehen. Eberl sitzt auf einer Auswechselbank und telefoniert.

Max Eberl, Manager von Fußball-Bundesligist Borussia Mönchengladbach. Auf diesem Foto ist der 48-Jährige am 6. Juli 2021 zu sehen.

Mönchengladbach. Allerstrengste Corona-Auflagen. Nichtsdestotrotz findet Max Eberl, Sportdirektor von Bundesligist Borussia Mönchengladbach, die Möglichkeit, die GladbachLIVE-Redaktion zu einem intensiven Austausch (13. November 2021) im Borussia-Park zu treffen. Der Sportdirektor nimmt sich massig Zeit. Eberl weicht keiner Frage aus, wirkt hochkonzentriert. Der 48-Jährige spricht offen und ehrlich über alle Gladbach-Themen, mit denen wir ihn konkret konfrontieren. Pandemie, Impfen, sportliche Situation, auslaufende Verträge, finanzielle Verluste, Gefühle, Probleme, Stars, Personal, Gerüchte, Träume, Realitäten, seine persönlichen Veränderungen. Das exklusive XXL-Interview mit einem der zurzeit besten und anerkanntesten Fußball-Manager Deutschlands. 

EXKLUSIV: Gladbach-Manager Max Eberl stellt sich im XXL-Interview

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Herr Eberl, wir erleben aktuell die vierte Corona-Welle in einer hierzulande bislang nicht gekannten Wucht. Wie sehr hat das Virus eigentlich Ihr Leben in dieser speziellen Bubble Profi-Fußball verändert?  

Durch die Pandemie hat sich das Leben zahlreicher Menschen verändert, auch meines. Ob das den Job betrifft oder auch im privaten Bereich.

Was beschäftigt im Zusammenhang mit Corona den Menschen Max Eberl?

Dass sich unsere Gesellschaft verändert hat, dass Themen sich inzwischen dahingehend entwickeln, dass es sich aus meiner Sicht einfach nicht gut anfühlt. Zu Beginn der Pandemie ist proklamiert worden, dass wir als Gemeinschaft durch diese schwere Zeit schreiten wollen. Ich hoffe, dass wir den Faktor Solidarität wieder mehr in den Fokus rücken. Da ist jeder einzelne von uns in der Gesellschaft auch gefragt. Die Frage ,Wie geht es Dir?‘ hat einen anderen Tiefgang bekommen, aus meiner Sicht zumindest, als es noch vor der Pandemie der Fall gewesen ist. Und ganz wichtig ist, dass wir mit einer ehrlichen Antwort auf diese Frage entsprechend empathisch und respektvoll umgehen.

Wie sieht es für Max Eberl in seiner Funktion als Gladbach-Manager aus?

Die Voraussetzungen in meinem Beruf haben sich komplett verändert. Es sind jetzt neue Rahmenbedingungen und neue Strukturen entstanden, es herrschen auch andere Möglichkeiten finanzieller Art.

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Können Sie das noch konkreter formulieren?

In den zehn Jahren vor der Pandemie ist der Profifußball ein wenig wie Schlaraffenland gewesen, es war unfassbar viel Geld im Spiel. Da hat sich inzwischen jedoch einfach Grundlegendes geändert. Einige Vereine kämpfen zum Teil ums Überleben. Ich als Sportdirektor muss nun mit anderen Möglichkeiten agieren, neue Probleme erkennen. Sei es Kadergröße, finanzielle Möglichkeiten, wie viele Zuschauer kommen ins Stadion, was kann ich dann investieren?

Gestatten Sie die Bemerkung: Sie haben sich äußerlich in den vergangenen Monaten ebenfalls verändert, wirken drahtiger und schlanker.

Es ist so, dass ich mir ja im Januar eine Auszeit genommen hatte und seither meine Ernährung umgestellt habe. Ich habe sehr viel Sport gemacht, habe Gewicht verloren. Was dazu geführt hat, dass ich trotz meiner Knieprobleme wieder mit dem Laufen beginnen konnte. Ernährungsumstellung, mehr Sport – das hatte ich allerdings nicht geplant oder erzwungen, sondern es hat sich so ergeben und darüber bin ich sehr dankbar.

Max Eberl, Manager von Borussia Mönchengladbach, lächelt am 19. Juli 2021 in Harsewinkel in die Fotografen-Kamera.

Max Eberl, Manager von Borussia Mönchengladbach, lächelt am 19. Juli 2021 in Harsewinkel in die Fotografen-Kamera.

Sie haben das Thema mehr Solidarität angesprochen: Ist dann den Menschen noch zu vermitteln, dass an manchen Bundesliga-Standorten „2G“-Regeln für Zuschauer und Fans gelten, die zugleich Eintritt zahlen, auf dem Spielfeld dann aber teilweise Profis zu sehen bekommen, die sich nicht impfen lassen wollen?

Ich kann nicht für andere Standorte sprechen. Ich kann allerdings die Diskussion nachempfinden. Wir hier bei Borussia haben noch einen Akteur, der sich bislang nicht hat impfen lassen, dies aber jetzt tun wird. Dann sind wir bei einer Impfquote von einhundert Prozent in unserem Lizenzbereich angekommen. Sprich Spieler und Staff. Und genau das wollen wir repräsentieren. Wir haben eine Vorbildfunktion – der wir auch gerecht werden wollen, womöglich sogar müssen. Trotzdem steht es jedem Menschen frei, zu entscheiden, was er für seine Gesundheit tun möchte. Als Arbeitgeber können wir eine Empfehlung geben, entscheiden muss das am Ende allerdings jeder Spieler und Mitarbeiter für sich.

Was sagen Sie in diesem Kontext zur Argumentation, öffentliche Personen haben gerade in Coronazeiten eine ganz wichtige Vorbildfunktion, was das Impfen betrifft?

Da wiederhole ich mich gerne: Als Menschen der Öffentlichkeit müssen wir innerhalb anderer Parameter entscheiden. Wir können nicht nur für uns entscheiden, sondern haben eine Strahlkraft zu berücksichtigen. Die Diskussion um Joshua Kimmich ist nicht umsonst in dieser Dynamik vorhanden. Joshua ist ein Vollprofi, ein Top-Mensch, so wie ich ihn von außen bewerten kann. Er hat für sich eine Entscheidung getroffen, diese kundgetan und so für jede Menge Diskussionsstoff gesorgt. Dadurch, dass wir in der Fußball-Bundesliga so in der Öffentlichkeit stehen, müssen wir allerdings zugleich einen Tribut zollen. Wir müssen genau abwägen, wie wir mit unserer Vorbildfunktion umgehen. Ich denke, ihm ist in den vergangenen Wochen bewusst geworden, dass er nicht nur als Joshua Kimmich entscheidet, sondern als eine der ganz großen Galionsfiguren des deutschen Fußballs.

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Sind Sie also ein klarer Impf-Befürworter?

Ja, ich bin ein Befürworter des Impfens. Das ist zugleich ein Appell von mir, sich impfen zu lassen, um eben somit auch mehr Normalität für uns alle zu bekommen. Wir haben aktuell die vierte Coronawelle – und jetzt sind die Ungeimpften, auch mit Blick auf die Tatsache, dass kein Lockdown ist und Großveranstaltungen stattfinden, einer großen Gefahr ausgesetzt. Diese Tatsache sollte jeder und jedem bewusst sein. Und um den Bogen zu schlagen: Das betrifft auch die Fußballer, die eine Vorbildfunktion haben und entsprechend in der Gesellschaft positive Akzente setzen können, wenn wir diese solidarische Demut vorleben und mittragen.

Kommen wir zum sportlichen Bereich. In der Fußball-Bundesliga ist ein Drittel der Saison vorbei. Wie lautet Ihr vorläufiges Borussia-Fazit als verantwortlicher Sportdirektor?

Natürlich durchlaufen wir mit dem neuen Trainer eine Entwicklung. Neue Ansprache, neue Philosophie, neue Ideen, auch wenn die grobe Philosophie sehr der ähnelt, die unser vorheriger Trainer (Marco Rose, Anm. d. Red.) hatte. Zu einer Entwicklung gehören Auf- und Ab-Phasen. Adi Hütter und sein Trainer-Team haben nach dem Spiel in Augsburg richtige Schlüsse gezogen. So beispielsweise, die Mannschaft in einer gewissen Art und Weise zu verändern. Wir haben einen nahezu identischen Kader seit rund drei Jahren, allerdings diesen mit jungen Spielern aufgepeppt. Sei es ein Manu Koné, ein Joe Scally oder Luca Netz. Auch ein Jordan Beyer, der bis zu seiner Verletzung wieder eine größere Rolle gespielt hat. Wir haben die Mannschaft also auch verändert, wieder mehr hin zum Weg der vergangenen Dekade, mit jungen Spielern agieren zu wollen. Junge Spieler bedeuten auch zugleich mal ein Auf und Ab. Wir nehmen also eine Entwicklung mit einem neuen Trainer, neuen Spielern – und ich finde, dass es in die richtige Richtung geht. Aber wir sind noch nicht am Ende und da gibt es Schritte, die wir besser machen müssen.

Beispielsweise?

Nehmen wir das Mainz-Spiel, die zweite Halbzeit. Neben der Bereitschaft, sich gegen diese komprimierte Angriffslust des Gegners zu wehren, trotzdem auch wieder mehr unsere fußballerischen Aspekte auf den Platz zu bringen. Die Kombination von Fußball und Bereitschaft, da Dinge noch besser zu machen, das ist ein Schritt, den wir gehen wollen. Aber generell kann ich sagen, dass wir schauen sollten, Ausreißer abzustellen und konstanter zu werden. Damit meine ich auch, dass uns Spiele wie gegen Hertha BSC oder FC Augsburg nicht gefallen haben.

Stößt Ihnen ein gewisser Wankelmut im Fohlen-Spiel nicht noch deutlicher auf?

Wissen Sie, wenn ich mich nicht täusche, sind wir aktuell vier Punkte von einem Champions-League-Platz entfernt. Dass wir Spiele verloren haben, mit denen wir nicht glücklich waren, sprich Bayer Leverkusen, Augsburg und Hertha BSC – das ist so. Und natürlich wird am Ergebnis alles festgemacht. Wir sehen zugleich schon, was auf dem Platz geschieht. Wir machen nicht immer alles richtig. Das ist auch klar. Nichtsdestotrotz nehmen wir eine Entwicklung, in der wir zu Hause, mit zwei Mal Bayern München inklusive Pokal, ungeschlagen sind. Ja, auswärts haben wir unsere schlechteren Leistungen gebracht.

Wie ordnen Sie das ein?

Ich habe seit Monaten schon gesagt, dass dieses Bollwerk Borussia-Park, mit seinen Zuschauern, schon eine Rolle spielt. Dieses Bollwerk haben wir wieder hinter uns. Auswärts spielen wir allerdings auch gegen Zuschauer. Wir haben in dieser Saison, ich nehme mal Mainz und Augsburg, erlebt, was dann für eine Kraft wiederum gegen uns steht.

Max Eberl während eines Fitness-Laufes. Dieses Bild stammt vom 18. Juli 2021.

Max Eberl während eines Fitness-Laufes. Dieses Bild stammt vom 18. Juli 2021.

Wie selbstkritisch ist der Analyse-Prozess?

Wir haben wiederholt Dinge angesprochen. Wir haben, gerade bei Leistungsträgern, große Schwankungen gehabt. Jetzt spielen wir mit vier jungen Spielern, von denen sich Jordan Beyer leider verletzt hat – und dann muss man uns auch zugestehen, dass wir auch ein Stück weit eine Entwicklung nehmen. Ich sehe, dass wir auf einem guten Weg sind. Ich sehe, dass wir eine richtig gute Mannschaft haben.

Aber?

Ich sage es immer wieder: Wir müssen absolutes Top-Niveau erreichen und haben, um in der Bundesliga eine gute Rolle zu spielen. Und wir haben noch nicht alle unser Top-Niveau oder rufen es noch nicht in Gänze und das über die gesamte Spieldauer ab. Aber das muss der Weg sein. Daran arbeiten wir. Das ist ein ständiger Prozess. In der Bundesliga ist für einen Klub wie Borussia Mönchengladbach nichts in Stein gemeißelt. Wenn wir heute gut gespielt haben, bedeutet dies nicht automatisch, dass wir morgen wieder richtig gut spielen. Es sind immer wieder neue Rahmenbedingungen, neue Gegner, ein neues Spiel.

Sie sind noch nicht mit allem zufrieden?

Nein, bin ich nicht. Auch der Trainer nicht. Die Mannschaft übrigens auch nicht. Trotzdem sind wir auf einem guten Weg.

Nicht zufrieden ist auch Nationalspieler Florian Neuhaus, der seinen Stammplatz bei Borussia derzeit verloren hat.

Bei uns geht es nicht um Namen, sondern dem Trainer geht es darum, welche elf Spieler passen am besten auf den Platz, um das Spiel zu gewinnen, um diese Entwicklung, die wir haben, wieder voranzutreiben. Der Trainer stellt auf, ohne Rücksicht auf Namen zu nehmen. Jeder Spieler hat die Möglichkeit, sich im Training und bei Einsätzen wieder in Position zu bringen. Es gibt keine Entwicklung, bei keinem Menschen, die immer nur nach oben geht. Es gibt Höhen und Tiefen.

Neuhaus hat geäußert, dass er sich mehr Rückendeckung vom Verein gewünscht hätte.

Flo bekommt bei uns jegliche Rückendeckung, wie alle anderen Spieler übrigens auch. Es wird keiner bevorzugt. Klar ist: Der Verein Borussia Mönchengladbach steht über allem. Wir haben hier ein Leistungsprinzip. Mich hat gefreut, dass Flo dieses Tor in Mainz gemacht hat und Kampfgeist in sich spürt. Das nehme ich aus dieser Aussage wahr. Alles andere kann ich einordnen. Es ist auch das gute Recht eines Spielers, mal enttäuscht zu sein.

Aber noch mal nachgehakt: Sie als Manager Max Eberl sind in diesem Business bekannt dafür, dass Sie Spielern eigentlich immer Rückendeckung geben. Hat Florian Neuhaus sich womöglich einfach unglücklich ausgedrückt?

Für mich ist das kein großes Thema. Es kann aus der Emotion heraus auch mal etwas rausrutschen. Vielleicht hat der Flo an der einen oder anderen Stelle auch etwas gespürt, sich einen anderen Verlauf gewünscht. Das ist legitim. Wir werden mit Florian Neuhaus in Ruhe reden, wenn er von der Nationalmannschaft zurückkommt. Wir werden, so wie wir es immer tun, ganz sachlich damit umgehen.

Sie klingen jetzt auch nicht so, als sei das Verhältnis zum Spieler belastet.

Was ich sagen kann ist, dass wir sehr froh sind, dass wir mit Flo diese Entwicklung genommen haben. Er hat ja gesagt, dass drei Jahre lang alles phantastisch gewesen ist. Jetzt hat er eben eine kleine Delle – und es sind auch andere Spieler da, die sofort in die Bresche springen und zum Mannschafterfolg beitragen. Aber ich weiß ganz genau, dass Florian Neuhaus mit seiner Qualität und Wichtigkeit uns wieder helfen wird, erfolgreich zu sein.

Ein anderer unzufriedener Spieler soll Alassane Plea sein, dessen Berater jüngst durchblicken ließ, dass er Redebedarf mit Ihnen sehen würde.

Wir haben uns mittlerweile dahingehend entwickelt, dass wir einen Kader haben, in dem es nicht elf gute Spieler gibt, sondern 20. Jeder, der sich für Borussia Mönchengladbach entscheidet, weiß, dass er zu einem ambitionierten Verein kommt, der erfolgreich sein möchte, der mittlerweile sehr häufig genannt wird, wenn es um das Thema Europapokalplätze in der Bundesliga geht. Lasso hat, wie Florian Neuhaus, eine extreme Wichtigkeit für uns. Er hat eine extreme Qualität. Breel Embolo hatte sich mit großartigen Leistungen in Position gebracht und eben mehr gespielt. Lars Stindl ist unser Kapitän, der gegen Mainz auch mal auf der Bank gesessen hat. Lasso Plea hat darauf, dass er nicht regelmäßig gespielt hat, großartig reagiert. Er trainiert gut, er kriegt seine Chance, er trifft wieder, er ist gerade drin in der Mannschaft. Durch die Verletzung von Breel dürften noch mehr Spielanteile hinzukommen.

Also kein Redebedarf mit Pleas Berater?

Wir sind mit jedem Berater im ständigen Austausch. Es ist ja nicht so, dass wir nur miteinander reden, wenn Vertragsverlängerungen anstehen oder es Probleme geben sollte. Wir reden immer wieder miteinander. Ich werde mit Stéphane Courbis, seinem Berater, sprechen. Damit geht einher, dass wir auch über die Zukunft reden werden.

Haben Sie den Eindruck, dass Plea den Klub verlassen möchte?

Ich finde, dass er das nicht zeigt. Er zeigt vielmehr sehr gute Leistungen für Gladbach. Im Moment ist eine gewisse Aufgeregtheit um uns herum. Mit der gehen wir professionell und gelassen um. Ich lasse mich nicht treiben von irgendwem und auch nicht von irgendwelchen Interviews.

Kommen wir zu den Spielern, deren Verträge 2022 auslaufen. Mit Matthias Ginter und Denis Zakaria beispielsweise drohen der Borussia zwei Profis ablösefrei abhanden zu kommen, die auch einen beachtlichen Marktwert haben. Wie ist es zu dieser für den Verein ungünstigen Konstellation gekommen?

Ich habe zu Beginn des Gesprächs ja bereits versucht deutlich zu machen, dass sich die Situation gravierend durch die Coronakrise verändert hat. Es hat sich im Sommer 2021 bei beiden Spielern aus den unterschiedlichsten Gründen nichts ergeben. Beide Spieler sind bei uns und bringen sehr gute Leistungen, wir sprechen mit den Spielern. Das gilt übrigens auch für Jordan Beyer, mit dem wir ebenfalls gerne verlängern möchten. Die ganze Konstellation auf dem Transfermarkt hat sich geändert. Vor Corona wäre bei einem Denis Zakaria nicht die Frage gewesen, ob er geht, sondern wohin geht er. Es haben aber nicht mehr alle diese Mittel.

Wobei es da auch Ausnahmen zu geben scheint.

Ja, wenige Vereine haben die Mittel noch – und diese sind exorbitant. Die konterkarieren auch den gesamten anderen Transfermarkt. Aber die Mittel eines jeden einzelnen Vereins haben sich durch Corona einfach reduziert.

Was bedeutet das weiter?

Dass Spieler jetzt entscheiden müssen: Pokere ich und gehe ablösefrei und schaue, was passiert? Mit den Gefahren, die dann zu tragen sind. Sprich Verletzungen, Leistungsschwankungen oder dann doch nachlassendes Interesse. Dass diese beiden Spieler (Ginter und Zakaria, Anm. d. Red.) immer irgendwo einen Vertrag bekommen werden, dies ist klar. Aber die beiden wollen ja nicht irgendwo einen Vertrag, sondern sie wollen ambitionierte Verträge haben. Nicht nur monetär, sondern auch sportlich. Das ist das, was wir den Spielern immer wieder bieten konnten, auch heute wieder bieten können, wir reden daher miteinander – und deswegen fühle ich mich auch nicht chancenlos bei den Gesprächen.

Und sollten diese Gespräche nicht fruchten?

Dann ist das eine Situation, dass wir fünf Jahre lang großartige Spieler bei uns gehabt haben, die uns letztendlich ablösefrei verlassen. In diesem Fall müssen wir wiederum anderwärtig agieren. Wir haben einen Florian Neuhaus oder Joe Scally auch ablösefrei bekommen. Ablösefreie Spieler wird es wieder mehr auf dem Markt geben aus meiner Sicht.

Könnte es in dieser Melange sein, dass Spieler wie Ginter oder Zakaria Borussia in der Winterpause noch verlassen?

Ich kann in Zeiten von Corona nichts ausschließen. Unsere Intention, unsere klare Aussage ist, dass wir gerne mit diesen beiden Spielern verlängern würden.

Immer nahe dran an der Mannschaft von Borussia Mönchengladbach. Fohlen-Manager Max Eberl. Auf diesem Bild am 7. August 2021 zu sehen.

Immer nahe dran an der Mannschaft von Borussia Mönchengladbach: Fohlen-Manager Max Eberl. Auf diesem Bild am 7. August 2021 zu sehen.

Sollte ein Abwehrspieler der Kategorie Ginter Ende Juni 2022 Gladbach ablösefrei verlassen – könnte ein Verein wie Borussia diese Kaderlücke dann wiederum mit anderen namhaften, ablösefreien Profis schließen? Nennen wir beispielsweise einen Süle von Bayern München, einen Christensen von FC Chelsea oder Friedrich von Union Berlin. Allesamt Innenverteidiger, deren auslaufende Verträge ebenfalls noch nicht verlängert sind.

Zunächst einmal kommentieren wir keine Namen. Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, dass wir mit Matthias Ginter, Denis Zakaria und Jordan Beyer verlängern wollen. Sollte es nicht so kommen, werden wir uns mit der neuen Ausgangslage befassen. Dass man nicht unvorbereitet ist oder gar blind durchs Leben läuft, dürfte allerdings auch klar sein.

Weiter nachgebohrt: Könnte es sein, dass Borussia selbst in der Winterpause auf dem Transfermarkt noch tätig wird?

Auch da wiederholt sich meine Antwort: In Zeiten von Corona kann ich nichts ausschließen.

Ihnen wird wiederholt nachgesagt, dass Wintertransferfenster sei nicht Ihr Ding.

Das habe ich auch mal gelesen. Ich kann nur daran erinnern, dass Manu Koné ein Wintertransfer ist. Da haben wir einen Vorgriff gemacht, weil wir Sorge hatten, dass wir diesen Spieler im Sommer schon gar nicht mehr bekommen können. Also: Wenn was ist, dann versuchen wir schon zu agieren. Im Rahmen der Möglichkeiten, die wir haben.

Diese Möglichkeiten werden nicht nur von den Auswirkungen der Coronakrise beeinflusst. Der neue Fernsehvertrag hat ebenfalls Einfluss auf die Vereins-Kassen. Was können Sie uns dazu sagen?

Dieser seit 2021 neue Fernsehvertrag bringt uns per se 18 Millionen Euro weniger im Jahr. Das kommt on top zu Corona noch dazu. Dieser Vertrag gilt für vier Jahre.

Das sind in Summe also 72 Millionen Euro weniger in der Borussia-Kasse. Wow!

Das ist für Gladbach kein Pappenstiel, sondern ein elementarer Einschnitt in unsere Planung. Wir haben keinen Investor, keinen Scheich, keinen externen Geldgeber. Wir haben uns alles selbst erarbeitet. Was uns eine unfassbare Stärke und Solidität gibt. Aber solche Einschläge sind für uns dann deutlich markanter als für andere Vereine. Dass jetzt wieder Zuschauer in unser Stadion dürfen, ermöglicht es uns, dass wir einem Matthias Ginter ein Angebot machen können. Aber es ermöglicht uns nicht, dass wir einen Spieler für viel Geld kaufen können.

Wie steht es denn aus finanzieller Sicht um Borussia?

Wir können das ausgeben, was wir eingenommen haben. Und wenn wir eingenommen haben, können wir auch wieder ausgeben. Das ist, unter Berücksichtigung dessen, was wir tatsächlich an Geld verloren haben, eine sehr gute Basis.

Corona hat Borussia in der Entwicklung zurückgeworfen?

Ja, um zwei bis drei Jahre. Und das Fernsehgeld kommt noch on top. Wir hätten in dem Jahr, als Corona ausgebrochen ist, in der Saison 2019/2020, wenn wir durchspielen hätten können, das beste Ergebnis der Vereinsgeschichte gemacht. Wir hätten weit über 200 Millionen Euro Umsatz vorweisen können. Wir hätten Champions-League-Geld zur Verfügung gehabt, was wir hätten nehmen können, um einen nächsten Schritt zu machen. Jetzt haben wir das Geld genommen, um das zu lindern, was die Coronakrise an Schaden für uns verursacht hat. Wir haben Löcher gestopft. Entsprechend müssen wir demütig sein.

Wenn Sie das so schildern, kann von einem Verein wie Borussia Mönchengladbach eigentlich nicht erwartet werden, dass er automatisch um die Champions-League- oder Euro-League-Plätze immer mitspielt.

Das habe ich vor Corona schon gesagt. Es ist kein Automatismus. Wir sind ein Verein, der immer um Europa spielen kann. Das sage ich bewusst. Aber wir sind nicht automatisch gesetzt. Dafür müssen wir Top-Niveau auf allen Ebenen erreichen.

Sie haben bei Ihrer Vertragsverlängerung im Dezember 2020 in Gladbach gesagt, dass Sie nicht nur weiter verwalten wollen, sondern auch Visionen haben. Aktuell müssen die Manager-Visionen offenbar hinter der harten Corona-Realität anstehen.

Momentan ist es Realität abarbeiten und Realität lösen. Das ist wahrscheinlich eine der größten Schwierigkeiten in der Vereinsgeschichte. Klar, 1999 ist nicht vergessen. Aber diese Corona- und Fernsehgeld-Krise gehören definitiv dazu. Von Wurstbrot essen kann im Moment nicht die Rede sein.

Nun haben Sie als Manager über zehn Jahre lang so viel aufgebaut in Mönchengladbach, dann gibt es aus heiterem Himmel den Corona-Knüppel zwischen die Beine. Sie sind auch ein emotionaler Mensch. Was geht da schon mal durch Ihren Kopf?

Zunächst hatte ich ehrlich gesagt gar keine Zeit, mir groß Gedanken zu machen. Wir haben alles erst einmal wieder ordnen müssen. Es galt, alles neu zu justieren. Da waren keine großen Gedanken. Aber natürlich gibt es Tage, an denen du sagst: Verdammt noch mal, jetzt waren wir so weit, und dann bist du plötzlich in diesem ominösen Sisyphos-Vergleich und der Stein rollt wieder den Berg runter. Und jetzt musst du wieder anschieben. Ja, da ist dann auch meine Ungeduld und Emotion im Spiel. Aber das ist auch gleichzeitig ein Antrieb. Wir haben eine neue Situation, die wir gemeinsam lösen wollen.

Zugleich am Ball und am Telefon: Max Eberl, Manager von Borussia Mönchengladbach. Dieses Foto stammt vom 6. Juli 2021.

Zugleich am Ball und am Telefon: Max Eberl, Manager von Borussia Mönchengladbach. Dieses Foto stammt vom 6. Juli 2021.

Kommen wir zu Ihrem wichtigsten sportlichen Angestellten, zum neuen Cheftrainer Adi Hütter. Ist er bei Borussia angekommen?

Definitiv. Er ist genau das, was ich mir gewünscht und vorgestellt habe. Was ich spüre ist, dass er diesen Verein mit jeder Faser lebt. Er ist zu einhundert Prozent bereit, für diesen Klub alles zu geben. Er sieht keine Namen, er sieht diesen Klub an oberster Stelle. Er ist sehr fokussiert, er ist sehr klar in dem, was er will und sehr direkt. Diese Symbiose zwischen Borussia und Adi Hütter läuft noch, aber als Trainer und als Mensch ist er komplett angekommen in Gladbach.

Bringt er einen anderen Wind rein?

Jeder Trainer bringt seinen Wind rein. Adi Hütter bringt seine Erfolgsbesessenheit mit rein. Er will einfach jedes Spiel gewinnen, klar, das wollen alle Trainer. Er besitzt halt eine gewisse Akribie und hat Mut. Er hat Mut, zu entscheiden, Stammspieler auch mal draußen zu lassen, weil andere sich aufdrängen.

Was hat dieser historische Sieg im DFB-Pokal gegen Bayern München, dieses 5:0, im Klub und auch bei Ihnen ausgelöst?

Was es nicht auslösen darf, ist eine Zufriedenheit und ein Zurückschauen. Es hat uns an diesem Abend eine unfassbare Freude bereitet. Es war ein geschichtsträchtiger Abend, ein großartiges Erlebnis. Das sollten wir mitnehmen. Wir sollten aber auch mitnehmen, dass wir eine Mannschaft haben, die dieses Leistungsniveau hat. Und jetzt gilt es, ehrgeizig zu bleiben, das muss das Ziel von allen, von jedem einzelnen Spieler, sein. An diesem Leistungsniveau müssen wir uns orientieren. Dass wir nach diesem Rausch gegen Bayern München das Spiel gegen Bochum gewonnen haben, ist für mich ein großer Schritt gewesen. Was ich mir wünsche ist, dass wir das konstanter schaffen und nicht nur als Ausreißer.

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Der Traum von etwas Blechernem lebt also wieder auf?

Ja, das tut er immer. Mannschaften wie Bayern München, Wolfsburg oder Leverkusen sind in diesem Wettbewerb ausgeschieden. Wir sind im Reigen mit dabei und haben im Januar 2022 das Spiel bei Hannover 96. Wenn wir dort auch eine Top-Leistung zeigen, haben wir die Chance, die nächste Runde zu erreichen. Wir werden diesem Traum Schritt für Schritt weiter entgegen gehen. Dafür stehe ich jeden Morgen auf.

Abschließend: Der Name Borussia Mönchengladbach steht wie kaum ein anderer für Jugendarbeit, für Talenteförderung. Sie haben ihre ersten Schritte nach der Spieler-Karriere als Jugenddirektor in Gladbach unternommen, kennen sich also bestens aus. Welche Auswirkungen hat Corona auch auf die Jugendarbeit?

Der Jugendfußball hat 18 Monate lang quasi brach gelegen. Dieser Zeitraum ist nicht einfach mal so nachzuholen. Wir hatten ja schon das Problem im deutschen Fußball, dass wir weniger Talente vorweisen konnten. Die Talente hatten es extrem schwer, in die Kader hochzustoßen. Nun sind diese 18 Monate hinzugekommen, in der die ganze Jugendausbildung liegen geblieben ist. Unsere Jugendtrainer haben in dieser Zeit einen großartigen Job gemacht, trotzdem ist es ein Unterschied, ob ich im Garten mit dem Ball jongliere oder elf gegen elf auf dem Platz spielen kann. Gerade in unserer Sportart. Wir müssen aufpassen im deutschen Fußball. Auch mich nehme ich da in die Pflicht, die Jungs wieder besser auszubilden. Ich sage aber auch: Corona ist zugleich eine Chance für die Jugend, weil wir nicht mehr so viel Geld zur Verfügung haben und viel mehr Wert auf die eigene Jugendarbeit legen müssen.