Rheinland-Giganten als Vorzeige-Klubs Mit Zertifikat! So retten Gladbach und Köln unseren Planeten
Fußballklubs sind schon längst nicht mehr nur noch Sportvereine, sondern Unternehmen mit großem gesellschaftlichen Einfluss. Besonders das Thema Nachhaltigkeit rückt dabei immer mehr in den Fokus, so auch in Gladbach.
Im Rahmen des Bundesliga-Heimspiels gegen Bayern München am Samstag (18. Februar 2023, 15.30 Uhr) bekommt Borussia Mönchengladbach vom Technischen Überwachungsverein (TÜV) Rheinland die Zertifizierung für nachhaltigeres Wirtschaften nach „ZNU“-Standard.
Das „Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung“ der Universität Witten/Herdecke (ZNU) hat 2012 diesen Nachhaltigkeitsstandard entwickelt.
Dazu gab es am Freitag (17. Februar) ein Pressegespräch mit Markus Aretz (Geschäftsführer Borussia Mönchengladbach), Markus Frieben (Stabsstellenleiter CSR & Nachhaltigkeit), Dr. Axel Kölle (Leiter ZNU) und Olaf Seiche (Leiter Zertifizierung bei TÜV Rheinland) im Borussia-Park.
Gladbach: Nachhaltigkeits-Zertifikat wird vor Bayern-Spiel überreicht
„Für uns war das ein sehr spannender, sehr intensiver, sehr anstrengender und fordernder Prozess, der uns ordentlich die Augen geöffnet hat hier im Unternehmen“, sagt Geschäftsführer Aretz.
Über mehrere Monate hinweg wurde das Unternehmen Borussia Mönchengladbach von TÜV-Prüfern unter die Lupe genommen und geprüft, ob der Klub den ZNU-Standard zum nachhaltigen Wirtschaften erfüllt.
„Es freut uns wirklich sehr, dass wir dieses Zwischenziel erreicht haben, nämlich dieses Zertifikat zu bekommen“, so Aretz weiter. „Und es freut uns sehr, dass das morgen (Samstag, 18. Februar, Anm. d. Red.) vor dem Heimspiel gegen den FC Bayern München übergeben wird.“
Die Auszeichnung bedeutet aber nicht den Abschluss aller nachhaltigen Aktivitäten, viel mehr ist es ein Startschuss für die Zukunft, wie Aretz weiter ausführt:
„Der Prozess ist dann lange noch nicht abgeschlossen. Wir sind weit davon entfernt zu behaupten, dass wir nachhaltig oder klimaneutral sind, aber wir haben uns aufgemacht auf den Weg. Da sind wir stolz drauf.“
Borussia ist übrigens erst der zweite Bundesligaklub, der mit dem Zertifikat ausgezeichnet wird. Schneller war – ausgerechnet – nur der Rheinland-Rivale 1. FC Köln. „Da machen wir kein Geheimnis draus und das tut uns auch nicht wirklich weh“, lautet Aretz' Reaktion darauf.
44 Nachhaltigkeitskriterien werden jährlich überprüft
Aber was bedeutet eigentlich der ZNU-Standard für nachhaltigeres Wirtschaften?
Das „Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung“ der Universität Witten/Herdecke hat diesen Standard vor einigen Jahren ursprünglich als Nachhaltigkeits-Check für Unternehmen entwickelt. Das Ganze entstand aus einer wissenschaftlichen Arbeit.
„Auf Basis dieses Checks haben wir dann den ZNU-Standard entwickelt, mit dem TÜV Rheinland als Entwicklungspartner“, erklärt Dr. Axel Kölle. „Wenn man das Zertifikat bekommen hat, dann ist das ein Zwischenschritt. Es geht uns darum, dass die Unternehmen sich kontinuierlich verbessern. Das ist das, was dann auch jährlich überprüft wird.“
Zentraler Schwerpunkt ist die nachhaltige Unternehmensführung, aber generell soll es darum gehen, „diesen ‚Nachhaltigkeits-Pudding‘ an die Wand zu nageln“ und das gesamte Unternehmen, Mitarbeiter und Stakeholder mit ins Boot zu holen.
Wie gut ein Unternehmen diese Standards umsetzt, wird schließlich beim Auditierungsprozess durch den TÜV Rheinland überprüft, der dann schlussendlich das Zertifikat ausstellt. Dabei werden unter anderem auch die Mitarbeiter befragt. Insgesamt umfasst die Prüfliste 44 Kriterien.
„Man hat hinterher ein Verständnis davon, ob das Unternehmen in der Lage ist, Nachhaltigkeit zu managen“, erklärt Olaf Seiche. Es werde geprüft, ob der Klub in der Lage sei, „vom abstrakten Nachhaltigkeitsbegriff in ganz konkrete Maßnahmen einzusteigen, in ganz konkrete Dokumentationen und in ganz konkrete Arbeitsweisen.“
Vegane Angebote und Carsharing? Das betrifft die Fans
Beispiele, wie das in der Praxis aussieht, gibt es bereits zahlreiche.
Markus Frieben, bei Borussia als Stabsstellenleiter für Corporate Social Responsibility (CSR, gesellschaftliche Unternehmensverantwortung) und Nachhaltigkeit zuständig, führt an: „Das fängt an beim Überprüfen des Speisenangebots in den Kiosken, was dazu führte, dass wir jetzt kürzlich ein Fleischersatzprodukt eingeführt haben. Die Gastronomie plant dahingehend noch weitere Angebote für die neue Saison zu schaffen.“
Außerdem soll noch in diesem Jahr eine Photovoltaik-Anlage im Borussia-Park installiert werden. Auf den 3.800 Quadratmetern können dann bis zu 400.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr produziert werden.
„Da entsteht im Stadionbetrieb eine Vision, die über Jahre angelegt ist“, so Frieben. „Schaffen wir es, den Borussia-Park irgendwann energetisch autark zu gestalten durch den Ausbau solcher Maßnahmen?“
Markus Aretz betont auch die wichtige Rolle, die die Fans des Klubs bei dieser Entwicklung spielen. Ungefähr die Hälfte des CO₂-Fußabdruckes des Klubs entsteht beispielsweise durch die An- und Abreise der Anhänger an Spieltagen.
„Das heißt, man muss bei diesen Themen auch die Fans und Zuschauer mitnehmen, um voranzukommen. An- und Abreise zu den Spielen ist ein großes Thema, aber es gibt auch kleine Themen“, so Aretz. „Wir haben das Ticketing stückweise umgestellt, jetzt gibt es digitale Tickets. Das ist ein Prozess, wo man die Leute mitnehmen muss und sie überzeugen muss, dass das sinnvoll ist.“
Gerade logistisch soll sich für die Fans soll sich in Zukunft einiges verändern und verbessern.
„Das ist eine Riesenherausforderung, gerade wenn wir unseren Standort betrachten“, weiß Markus Frieben. Im Mönchengladbacher Nordpark gibt es keine Schienenanbindung, zudem kommt rund die Hälfte der Zuschauer aus mehr als einhundert Kilometer Entfernung zu den Spielen.
„Es geht los mit dem innerstädtischen Verkehr, wir haben uns eingesetzt für die Anbindung an die Fahrradstraße. Dann der Ausbau von Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge“, verrät Frieben. „Wir haben geplant, in der nächsten Saison einen ‚Mobilitätsgipfel‘ einzuführen, mit der Kommune und der NEW (regionaler Energie- und Wasserversorger sowie Nahverkehrsbetreiber, Anm. d. Red.), um zu schauen, welche Maßnahmen können noch greifen.“
Als mögliche Idee wirft er eine App-basierte Mitfahrzentrale in den Raum, „ein ‚Borussia-Uber‘, dass sich Fans zusammenschließen und mehr Fahrgemeinschaften gebildet werden, um den Verkehr zu reduzieren.“
Auch vor der Profi-Mannschaft macht diese Entwicklung nicht Halt. Beispielweise sollen Auswärtsreisen, wenn möglich, öfter mit dem Bus statt mit dem Flugzeug absolviert werden. Außerdem ist geplant, im Winter die Trainingszeiten so anzupassen, dass die Rasenheizung auf den Trainingsplätzen gar nicht oder weniger gebraucht wird.
Aretz: „Wir haben auch mit dem Mannschaftsrat und dem Teammanagement darüber gesprochen, dass es auch Dinge gibt, die die Mannschaft betreffen, wie eben das Thema Flugreisen oder das Thema Rasenheizung. Da ist große Bereitschaft da.“
Mit der Einbindung der Mannschaft soll zudem eine größere Aufmerksamkeit geschaffen werden, um noch mehr Fans auf dieses Thema aufmerksam zu machen.
„Es ist ein großes Gesamtpaket“, schließt Aretz ab. „Man muss sich gerade als Fußball-Bundesligist der großen Verantwortung und der großen Strahlkraft bewusst sein, dass man zum Nachahmen anstoßen kann und damit mehr erreichen kann.“