Sie verwenden einen veralteten Browser. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser, um Ihren Besuch bei uns zu verbessern.

Von Achim Müller

XXL-Interview Netzer-Kasse oder Pfostenbruch – das verrät der Mann, der die Gladbach-Tradition pflegt

Der Mann für die Traditionspflege im Borussia-Park und der Weltmeister: Elmar Kreuels (l.) bekommt von Ex-Gladbach-Star Lothar Matthäus (r.) am 22. April 2017 dessen Original-Trikot aus alten Fohlen-Tagen samt Fußballschuhe überreicht. Beide lächeln in die Kamera. Matthäus zeigt sein Gladbach-Jersey, Kreuels hält die Schuhe in seiner rechten Hand.

Der Mann für die Traditionspflege im Borussia-Park, neben ihm ein Weltmeister und Weltfußballer: Elmar Kreuels (l.) bekommt von Ex-Gladbach-Star Lothar Matthäus (r.) am 22. April 2017 dessen Original-Trikot aus alten Fohlen-Tagen samt Fußballschuhe überreicht.

Borussia Mönchengladbach zählt zu den größten Traditionsklubs in Deutschland. Der Klub vom linken Niederrhein hat die Fußballgeschichte hierzulande mitgeprägt, er gewann Meisterschaften und den Europapokal.

Und es ist die Fohlen-Elf gewesen, die als erste deutsche Bundesliga-Mannschaft nach dem Zweiten Weltkrieg ein Fußballspiel auf israelischem Boden ausgetragen hat.

Borussia hat eine besondere Geschichte. Der Klub hat in den vergangenen Jahren einiges dafür getan, dass wichtige Erinnerungsstücke und Traditionen erhalten geblieben sind, so baute er unter anderem ein hochmodernes Vereinsmuseum.  

Mit Elmar Kreuels weist der VfL sogar einen Mitarbeiter aus, der im Borussia-Park für die Traditionspflege verantwortlich ist.

Der 62-Jährige ist selbst leidenschaftlicher Sammler, hat bei der Entwicklung des Museums mitgewirkt, er kümmert sich um ehemalige Spieler, die zu den Heimspielen der Fohlen-Elf ins Stadion kommen.

Kreuels kennt sich bestens in der Borussia-Historie aus. GladbachLIVE hat sich mit dem Leiter Traditionspflege zum exklusiven Interview getroffen.

GladbachLIVE-Interview mit Elmar Kreuels, Leiter Traditionspflege im Borussia-Park

Herr Kreuels, wie ist Ihre Verbundenheit zu Borussia Mönchengladbach entstanden?

Ich bin in Mönchengladbach geboren worden, die ganze Familie hat schon immer zur Borussia gehalten. 1966, als Sechsjähriger, war ich das erste Mal auf dem Bökelberg. Mein Vater hat mich damals mit ins Stadion mitgenommen, ich weiß noch, es war ein Spiel gegen den 1. FC Köln. Mein Sohn ist inzwischen 40 Jahre alt und auch glühender Borussia-Fan. So eine Verbundenheit wird halt weitergegeben.

Wie hat sich dann später Ihr Lebenstraum erfüllt, für Ihren Herzensklub auch hauptberuflich arbeiten zu können?

Ich habe immer schon sehr viele Dinge rund um die Borussia-Raute gesammelt und dafür auch ein eigenes Zimmer in unserem Haus eingerichtet. Im Jahr 2000 hat es dann im Museum Schloss Rheydt die Ausstellung ,100 Jahre Borussia Mönchengladbach‘ gegeben. Borussia nahm dann Kontakt zu mir auf, da bekannt gewesen war, dass ich sehr viel gesammelt hatte. Ich habe dann für die Ausstellung Exponate zur Verfügung gestellt. Der Kurator der Ausstellung hat mich zu Hause besucht und hat gesehen, wie ich sammele, wie ich archiviere und wie ich aufbereite. Es ist dann auch so gewesen, dass Charly Stock die Arbeit am Borussia-Archiv nicht mehr fortsetzen wollte, der Kurator ist dann auch derjenige gewesen, der mich bei Borussia empfohlen hat. Der Verein hat dann Kontakt zu mir aufgenommen und ich habe die Archiv-Arbeit im August 2000 fortgesetzt. Zunächst noch nebenberuflich. Als dann der Borussia-Park gebaut worden ist, ist mir vom Verein eine feste Anstellung angeboten worden.

Was waren zunächst Ihre Aufgaben?

Ich habe mich um den Bereich der Stadionführungen gekümmert, zudem ist es so gewesen, dass ich mich bereits zu Bökelberg-Zeiten um ehemalige Spieler gekümmert habe. Stephan Schippers (Geschäftsführer und Finanz-Chef, Anm. d. Red) und der damalige Sportdirektor Christian Hochstätter haben großen Wert darauf gelegt, dass diese Traditionspflege auch in den Borussia-Park transferiert wird. So dass es seit der Eröffnung des Borussia-Parks im Juli 2004 hier auch den Stammtisch als Tradition gibt – und das bis heute bei jedem Heimspiel.

Elmar Kreuels ist bei Borussia Mönchengladbach für die Traditionspflege verantwortlich, auf diesem Foto ist er im Museum des Fußball-Bundesligisten, in der Fohlenwelt, zu sehen. Kreuels steht vor mehreren Vitrinen, in denen Titel und Pokale zu sehen sind, welche die Borussia bislang hat gewinnen können.

Elmar Kreuels ist bei Borussia Mönchengladbach für die Traditionspflege verantwortlich, auf diesem Foto ist er im Museum des Fußball-Bundesligisten, in der Fohlenwelt, zu sehen.

Was hat es mit dem Stammtisch auf sich?

Es gibt ein festes Kartenkontingent für einen bestimmen Stadion-Bereich, das wird von den ehemaligen Spielern auch sehr gut angenommen. Am Spieltag ist auch immer der ehemalige Borussia-Torjäger Herbert Laumen dabei, der sich ebenfalls um die Ex-Borussen kümmert.

Wie sieht dieser Stammtisch aus, wer meldet sich da bei Ihnen?

Das können ein Allan Simonsen oder Ulrik le Fevre aus Dänemark sein. Ein Frank Schäffer aus Leonberg. Also Spieler, die aus allen Himmelsrichtungen kommen. Es gib auch die Spieler, die hier im Rheinland leben und zu fast jedem Spiel kommen.

Sind Sie am Stammtisch auch schon mal ausgebucht?

Ja. Das Kartenkontingent ist hier und da vergriffen.

Wie sieht das dann aus, die Ex-Borussen kommen zu den Spielen, schauen sich die Partien gemeinsam an, essen und trinken etwas zusammen?

Genau.

Welche Ex-Spieler können sich für den Stammtisch anmelden?

Alle Spieler, die im Laufe der Jahre mal auf einem offiziellen Mannschaftsfoto von Borussia Mönchengladbach gewesen sind.

Sie haben also den Bereich Stadionführungen, Traditionspflege, das Archiv und später dann auch das neue Museum, die Fohlenwelt, mit aufgebaut?

Ja, in einem Team, das in den Jahren immer größer geworden ist. Mittlerweile habe ich einige Aufgaben auch weitergegeben. So etwas kann niemand alleine machen.

Was können Sie uns über die Realisierung des Museums berichten. Wie lief das ab?

Das ist ab dem Jahr 2000 regelmäßig Bewegung drin gewesen. Uns sind immer wieder Exponate angeboten worden, teilweise sind uns Dinge geschenkt worden. Wir haben aber auch für Exponate etwas bezahlen müssen, wie beispielsweise für die Kasse aus dem ‚Lovers Lane‘, der ehemaligen Diskothek von Günter Netzer. Dass wir etwas bezahlen mussten für die Exponate ist aber eher selten der Fall gewesen. Es haben uns auch zahlreiche Ex-Spieler Ausstellungsstücke zur Verfügung gestellt.

Um welches Ausstellungsstück haben Sie besonders kämpfen müssen?

Um den Ballon d’Or von Allan Simonsen. Der wurde zunächst bei Vejle BK, bei seinem Heimatverein in Dänemark, ausgestellt. Er ist aber Europas Fußballer des Jahres geworden, als er bei Borussia unter Vertrag gestanden hatte. Da habe ich rund vier Jahre kämpfen müssen, bis Allan Simonsen uns den Ballon d’Or schließlich für das Museum übergeben hat. Und dann gibt es da noch ein ganz seltenes Borussia-Trikot, ein grasgrünes Trikot mit blauen Streifen. Ich wusste, dass die Tochter von Hacki Wimmer so eins noch hatte. Da habe ich auch Jahre gekämpft, bis ich es für die Ausstellung bekommen habe.

Es soll da auch noch eine Geschichte um einen besonderen Ball geben.

(Lacht) Ja, um den Ball von Lars Stindl, als ihm die drei Tore beim Europa-Legaue-Duell in Florenz gelungen waren. Das hat Monate gedauert. Lars hatte sich für diesen Ball extra was vom Schreiner für seine Privatsammlung zu Hause anfertigen lassen. Wenn Lars mich dann im Borussia-Park getroffen hatte, war ihm schon klar: ,Der Elmar fragt mich nach dem Florenz-Ball.‘ Da machte er lieber schon mal einen Bogen um mich. Bis er eines Tages grinsend auf mich zukam, sein Auto öffnete und sagte: ,Da hast du ihn.‘

Wie viele Jahre Ihres Lebens stecken im Borussia-Museum?

Ich würde sagen 20 Jahre. Wobei ich auch viele Dinge aus meiner eigenen Sammlung zur Verfügung gestellt habe. Dazu Dinge, die mein verstorbener Vater gesammelt hatte. Wenn man das noch berücksichtigt, dann kommen noch viele weitere Jahre hinzu.

Haben Sie ein Lieblings-Ausstellungsstück?

(Lacht) Oh, da gibt es einige. Da kann ich mich nicht auf eines festlegen. Natürlich ist die Kasse vom ,Lovers Lane‘ schon besonders. Wenn ich daran denke, wie wir die bekommen haben, als wir in einem Gladbacher Hinterhof standen und uns die Kasse in einer alten Holzbaracke gezeigt wurde. Dann haben wir aber schnell gesehen, dass es sich um das Original-Stück handelte.

In der Fohlenwelt gibt es einen Ausstellungs-Bereich, in dem der berühmte Pfostenbruch vom Bökelberg dargestellt wird. Ist das noch das Original-Tor?

Nein, das Tor ist ein Original-Nachbau des Tatortes. Das Tor liegt in der Ausstellung exakt so da, wie es am 3. April 1971 auf dem Bökelberg zusammengebrochen ist. Zwei Original-Bruchstücke sind seitlich in einer Vitrine zu sehen.

Was ist mit den zahlreichen Titeln und Pokalen im Museum, wie Meisterschalen oder dem DFB-Pokal. Sind das Nachbauten?

Das sind Nachbauten, die wir bereits lange Zeit vor der Museumseröffnung im Mai 2019 bestellt hatten. Und zwar bei der Bremer Silberschmiede Koch und Bergfeld. Den UEFA-Cup, heute heißt das ja Europa League, haben wir beim Original-Hersteller in Italien produzieren lassen.

Es gibt zwei Ausstellungsstücke, die bereits in der Fohlenwelt gestanden haben, bevor diese fertiggebaut worden ist.

Ja, die alte, mehr als zehn Meter lange Anzeigetafel vom Bökelberg und eines der Kassenhäuschen. Die hätten wir später nicht mehr in das Museum bekommen. Wir mussten da auch etwas Überzeugungsarbeit beim Statiker leisten, damit diese riesigen Dinge ins Museum gekommen sind. Heute sind sie ein Blickfang und wir sind überglücklich, dass diese riesigen Exponate in der Ausstellung zu sehen sind.

Borussias Museum ist interaktiv. Zählt es zu den modernsten Vereinsmuseen in Deutschland?

Was die Technik in der Fohlenwelt betrifft, haben wir sicherlich eines der modernsten Vereinsmuseen. Da sind wir schon ganz weit vorne.

Wie viele Besucher haben Sie bislang in der Fohlenwelt begrüßen dürfen?

Das sind um die 70.000 Menschen, die bislang gekommen sind. Dabei muss man natürlich berücksichtigen, dass die Coronapandemie uns in den vergangenen Jahren erheblich ausgebremst hat.

Blicken wir noch einmal auf die Traditionspflege und den Kontakt zu den Ex-Borussen. Hilft der Klub, wenn es Sorgen und Nöte gibt?

Ja, auf jeden Fall. Wir helfen, so gut wir können – auch in nicht so angenehmen Situationen.

Borussia ist es zuletzt gelungen, noch einmal fast alle Pokalsieger von 1995 im Borussia-Park versammeln zu können. Ein Highlight für Sie?

Absolut. Ursprünglich ist dieses Treffen für 2020 geplant gewesen, wir mussten das Treffen wegen der Coronapandemie allerdings verschieben und haben das im vergangenen Jahr nachgeholt. Ich kann verraten, dass die Jungs gefeiert haben ohne Ende. Mir geht dann immer das Herz auf, wenn ich sehe, wenn Spieler, die sich lange nicht gesehen haben, wieder in die Arme fallen und sich auf Anhieb wieder verstehen. Diese Freude bereitet mir große Freude.

Elmar Kreuels (l.) besucht am 3. April 2022 mit den Gladbach-Pokalsiegern von 1995 das Gelände, wo einst das Bökelberg-Stadion in Mönchengladbach gestanden hat. Zu sehen sind, rechts neben Kreuels, Heiko Herrlich, Christian Hochstätter, Michael Klinkert und Joachim Stadler. Kreuels zeigt ihnen auf seinem Smartphone Bilder und Videos.

Gelebte Tradition: Elmar Kreuels (l.) besucht am 3. April 2022 mit den Gladbach-Pokalsiegern von 1995 das Gelände, wo einst das Bökelberg-Stadion in Mönchengladbach gestanden hat. Zu sehen sind, rechts neben Kreuels, Heiko Herrlich, Christian Hochstätter, Michael Klinkert und Joachim Stadler.

Dann müsste Ihnen auch das Herz aufgegangen sein, als am 17. Dezember 2022 das „Legendenspiel“ im Borussia-Park stattgefunden hat?

Da haben sehr viele Kolleginnen und Kollegen hier bei Borussia mitgewirkt, dass dieses Spiel hat stattfinden können. Ein riesiges Team hat da an einem Strang gezogen und jede Menge zu tun gehabt. Kontakte mussten geknüpft werden, zahlreiche Reisen organsiert, Hotelzimmer gebucht werden, Kurierdienste – das schafft nur ein Team.

Wie beeindruckt sind Sie vom Fanandrang, auch auf dem grünen Teppich, zum Legendenspiel gewesen?

Das war einfach großartig. Wie herzlich die Menschen, trotz der Kälte, die ehemaligen Spieler empfangen haben. Ein Arango hat eine Stunde gebraucht, um die wenigen Meter vom Mannschaftbus bis zum Geschäftsstelleneingang gehen zu können. Und der Borussia-Park war dann ja auch beim Spiel richtig gut gefüllt. Die Jungs waren auch sehr beeindruckt und es hat ihnen richtig Spaß gemacht, das hat man schon mitbekommen.

Wie wichtig ist im Zusammenhang mit der Traditionspflege auch die Weisweiler Elf?

Die Weisweiler Elf nimmt einen wichtigen Platz in der Außendarstellung für uns ein. Sie wird gemanagt von Peter Wynhoff, Jörg Jung und Karlheinz Pflipsen. Sie haben das 2009, nach dem Tod von Christoph Budde, übernommen. Die Weisweiler Elf macht in Sachen Traditionspflege sehr viel, das ist eine ganz wichtige Geschichte. Wir sind da auch in einem sehr guten und regelmäßigen Austausch.

Abschließend: Welchen Traum rund um Borussia Mönchengladbach würden Sie sich gerne noch erfüllen?

Im April werde ich 63 Jahre alt. Mein Traum ist natürlich, dass ich noch einmal einen Titelgewinn mit Borussia erleben darf. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit Borussia auch noch mal einen Titel gewinnen. Das ist mein großer Traum.