GladbachLIVE-Kommentar Borussia droht erneutes Abschieds-Drama: Selbe Zwickmühle wie bei Kramer
Immer wieder wurde in den vergangenen Transfer-Perioden auf die klammen Kassen am Niederrhein verwiesen. Dass die Millionen für die großen Einkäufe fehlen, hat sich der Verein aber ein Stück weit auch selbst zuzuschreiben.
Zwar ist man im Nachhinein immer schlauer, doch bei Borussia Mönchengladbach droht sich eine teure Zwickmühle nach nur einem Jahr schon zu wiederholen. In der Causa Florian Neuhaus (27) könnten sich die Fohlen-Bosse verzockt haben. Ein Kommentar.
Gladbach und Neuhaus: Es kriselt nur im Hintergrund
209 Pflichtspiele im Fohlen-Trikot. Lediglich zwei Profis des aktuellen Kaders von Trainer Gerardo Seoane (46) liefen öfter für Borussia auf, als Florian Neuhaus. Alassane Plea (31; 224 Spiele), der ebenfalls 2018 an den Niederrhein wechselte, und Nico Elvedi (28; 317 Spiele), der schon seit 2015 für Gladbach kickt.
Dass der 27-Jährige mit einem Vertrag bis 2027 also zweifelsohne zu den Identitätsstiftern dieser Mannschaft zählt, ist keine Frage. Steht Neuhaus auf dem Platz, wirft er sich mit voller Energie rein, möchte zeigen, dass er es drauf hat und dem Team zum Erfolg verhelfen. Dabei kann er aber auch schon mal über die Stränge schlagen.
So beispielsweise am 4. Mai 2024. Bei 1:2-Rückstand im Weser-Stadion bekam Gladbach gegen Werder Bremen in der Nachspielzeit des Bundesliga-Spiels einen Elfmeter zugesprochen. Der eingewechselte Neuhaus schnappte sich entgegen der Absprachen die Kugel, atmete einmal tief durch und verwandelte mit einer Wucht, die den gesamten aufgestauten Frust in den Bremer Tormaschen entlud.
In den drei Spielen zuvor stand der ehemalige 1860-Profi zwar im Kader, musste aber jeweils 90 Minuten von der Bank aus zuschauen. Trainer Seoane setzte im Nachgang der Partie sichtbar aufgebracht den Ton für die darauffolgende Debatte: „Für Flo ist es positiv, dass er ihn reingemacht hat – andererseits wäre es für ihn ein bisschen ungemütlich geworden.“
Dann folgte ein monatelanges Hin und Her. Immer wieder wurde nach außen kommuniziert, dass es kein Problem zwischen Spieler und Coach gebe. Mal hieß es, dass sich Neuhaus durchbeißen wolle, dann wieder, dass er sich nach einer anderen Aufgabe umsehen würde. Auch durch die zurückliegende Winterpause und das Wechsel-Fenster (abgelaufen am 3. Februar 2025) zog sich dieses Schema.
Letztlich blieb Neuhaus aber – und das aus gutem Grund: Die Spielzeit will unter Seoane zwar weiterhin nicht ins Rollen kommen, lediglich acht Einsätze stehen in der laufenden Saison zu Buche, dafür stimmt aber der finanzielle Teil seines Vertrags. Der in Düsseldorf wohnhafte Profi fühlt sich wohl in Gladbach. Bei einem Jahresgehalt von kolportierten vier Millionen Euro (Quelle: Sport Bild) kein Wunder.
Natürlich dürfte ein Bundesliga-Profi in seinem Alter auch den Anspruch haben, regelmäßig zu spielen. Es wird sich aber wohl kaum ein Verein auf hohem Niveau finden, der bereit ist, eine derartiges oder auch nur vergleichbares Salär auf den Tisch zu legen.
Neuhaus ist nach wie vor ein Spieler mit Bundesliga-Format, das beweist er stets bei seinen wenigen Kurzeinsätzen. Er gehörte bei seinem einzigen Startelf-Einsatz der Saison (Pokal-Aus beim 1:2 gegen Eintracht Frankfurt) zu den „besseren“ Fohlen-Spielern. Seoane betont immer wieder, angesprochen auf den vermeintlich aussortieren Profi, dass dieser sich professionell verhalte und gute Trainingsleistungen abrufe.
Dennoch reicht es wohl nicht für einen längeren Einsatz. Am vergangenen Spieltag, Gladbach siegte 2:1 beim VfB Stuttgart, musste Borussia auf Mittelfeldspieler Rocco Reitz (22) verzichten. Neuhaus schmorte 90 Minuten auf der Bank, seinen Positionskollegen ersetzte stattdessen Sommer-Zugang Philipp Sander (26), der durchspielte.
Wie konnte es so weit kommen? Vier Millionen Euro für schlappe 157 Minuten nach mehr als der Hälfte der Saison – das kann nicht im Sinne der Borussia-Bosse sein. Den Mega-Vertrag erhielt Neuhaus im Juli 2023, also kurz nachdem Seoane als neuer Trainer vorgestellt wurde.
Dass es zwischen dem Schweizer und dem Ex-Nationalspieler (zehn Spiele, zwei Tore) nicht unbedingt funken würde, konnte man nicht absehen. Wohl aber, dass Neuhaus in einem Mittelfeld mit Julian Weigl, Christoph Kramer, Manu Koné und Rocco Reitz nicht über die gesamte Saison hinweg unumstrittener Stammspieler sein würde.
Einer von ihnen war es ebenfalls nicht: Kramer stand in der Saison 2023/24 nur ein einziges Mal in der Bundesliga in der Startelf, kassierte ebenso wie Neuhaus aber ein Millionen-Gehalt. Erst im Januar 2023 wurde der auslaufende Vertrag um zwei Jahre bis 2025 verlängert. Dabei verdiente der Weltmeister von 2014 etwa 2,8 Millionen Euro pro Saison.
Was dann folgte, war eine Vertrags-Posse, die sich Verein und Spieler wohl gerne gespart hätten. Kramers sportliche Rolle nahm immer weiter ab, das teure Gehalt sollte eingespart werden, ein Abnehmer fand sich aber nicht so leicht. Letztlich einigten sich die Parteien und die verdiente Borussia-Legende gab ihren frühzeitigen Abschied selbst bekannt.
Die Verantwortlichen um Roland Virkus (58) sollten zusehen, dass sich ein derartiges Vorgehen nicht erneut abspielt. Auch Neuhaus ist auf dem fußballerischen Abstellgleis, kassiert eigentlich zu viel und hat genau deshalb aber kaum Grund für eine Luftveränderung. Seine professionelle Haltung ehrt den gebürtigen Landsberger und zeigt, dass Seoane durchaus vermitteln kann – einen vier Millionen Euro schweren Mehrwert bringt Neuhaus derzeit dennoch nicht ein.
Die Situation ähnelt der von Kramer in vielen Belangen, diesmal ist sogar noch mehr Geld im Spiel. Aber: Dessen Kumpel Neuhaus ist noch etwas jünger, eifert womöglich noch eher dem Anspruch hinterher, sich auf der großen Fußball-Bühne zu zeigen.
Diesen Trumpf muss Borussia nutzen. Findet sich im Sommer ein Abnehmer für Neuhaus, möglicherweise ja auf der britischen Insel, wo das Geld oft etwas lockerer sitzt, sollte sich Virkus mit seinem Spieler zusammensetzen. Ansonsten muss er das womöglich im darauffolgenden Winter (oder Sommer) machen und ein unangenehmes Gespräch über eine mögliche Vertragsauflösung führen. Wie man das macht, weiß der Sport-Chef ja bereits.