„Vielfalt“-Talk im Borussia-Park „Sauerei!“ Gladbach-Weltmeister spart nicht mit Kritik an Katar-WM
Klartext von Christoph Kramer (31) bei einem Borussia-Talk zum Thema Vielfalt mit dem Ex-Profi Chiquinho (48) in der „Fohlenwelt“.
Dass Profifußballer auf die nahende Winter-WM in Katar am Persischen Golf angesprochen werden, ist derzeit keine Überraschung. Dass der eine oder andere dabei offen über Religion, Sexualität und Rassismus spricht, wiederum schon.
„Verantwortung in Fußballschuhen“: Gladbach-Talk mit Chris Kramer und Ex-Fohlen Chiquinho
Einige seiner Standpunkte zu diesen Themen hat Christoph Kramer, Weltmeister von 2014, bei einer Talkrunde mit Ex-Gladbach-Profi Chiquinho und Moderator Torsten „Knippi“ Knippertz (52) vor rund 40 Gästen in der „Fohlenwelt“, dem Museum von Borussia Mönchengladbach, deutlich gemacht.
So auch in Bezug auf Homosexualität im Fußball: Es müsse „das nächste Thema sein“, dass sich ein Profifußballer outen könne, so Kramer, der mit seinem Verein am Sonntag (30. Oktober 2022, 15.30 Uhr) bei Bundesliga-Tabellenführer Union Berlin gefordert ist.
Ein Fußballer, der in der Öffentlichkeit zu seiner Homosexualität stehe, könne nach Ansicht Kramers in der heutigen Gesellschaft „viel gewinnen“.
Die Unterstützung des Großteils der Gesellschaft sei „riesengroß“ – auch wenn er davon ausgehe, dass es aus der „einen oder anderen Kurve einen Spruch“ gebe könnte.
Als positives Beispiel nennt Kramer den Umgang mit homosexuellen Staff-Mitgliedern in den Vereinen: „Da ist es ja auch gar kein Problem.“
Im Großen und Ganzen, so Kramer, sei der Profifußball in Sachen Diversität „viele Schritte weiter“ als in der Zeit, in der Talk-Partner Chiquinho für Borussia im Profifußball auflief.
Der mittlerweile 48-Jährige ist im Alter von 23 Jahren aus Brasilien an den Niederrhein gekommen, er streifte von 1997 bis 2000 das Gladbach-Trikot über.
Mittlerweile spielt Chiquinho für die Weisweiler-Elf, die Traditionsmannschaft von Borussia, er ist mit seiner Frau und den zwei Kindern im Rheinland heimisch geworden.
Chiquinho schilderte, dass er nach seinem Karriereschritt von Brasilien nach Europa immer wieder rassistisch beleidigt worden sei – in erster Linie bei Auswärtsspielen. Er habe versucht, trotz der „50 Idioten“ den Fokus auf den Fußball zu legen.
In seiner Anfangsphase bei Borussia sei, so erzählt Chiquinho, Andrzej Juskowiak (52) sein engster Vertrauter im Team gewesen. Der Pole spielte zuvor drei Jahre lang bei Sporting Lissabon und konnte sich so mit Chiquinho in dessen Muttersprache Portugiesisch austauschen.
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Nachdem Juskowiak zum VfL Wolfsburg gewechselt war, wendete sich Chiquinho schließlich an den damaligen Borussia-Manager Rolf Rüssmann (✝58) mit der Bitte, ob der Verein für ihn Deutschunterricht organisieren könne.
Nach drei Monaten intensivem Sprachtraining habe Chiquinho dann deutlich besser mit seinem Umfeld kommunizieren können und sich deswegen merklich wohler gefühlt.
Kramer betonte in Bezug auf den Umgang mit internationalen Spielern in der eigenen Kabine, wie wichtig es sei, dem anderen „einfach ein gutes Gefühl“ zu geben und das Zugehörigkeitsgefühl zu stärken.
Im Zweifel müsse dann auch die Kommunikation „mit Händen und Füßen“ herhalten.
Thema sind im Borussia-Park auch die anhaltenden Diskussionen rund um die Weltmeisterschaft gewesen, die aufgrund der Bedingungen für die Gastarbeiter auf den WM-Baustellen in Katar seit Jahren in der Kritik steht. Immer wieder hat es Tote gegeben. Hinterbliebene müssen um ihre Entschädigung kämpfen.
Christop Kramer sagt, es sei eine „Sauerei, dass das passiert“.
Darauf folgt zugleich das Eingeständnis des Gladbacher Mittelfeldspielers, der als TV-Experte für das „ZDF“ während der WM agieren soll: „Jetzt ist das Kind leider schon in den Brunnen gefallen.“
Aus Kramers Sicht müssten künftig „Zeichen“ gesetzt werden – jedoch nicht von einzelnen, sondern von Gruppen, die sich zusammenschließen sollten.
So könne womöglich verhindert werden, dass es rund um die Fußball-Weltmeisterschaft zu weiteren Menschenrechtsverletzungen komme.