„Demut an den Tag legen“ Formt Seoane mit Favre-Trick Gladbach wieder zur Einheit?
Er soll Gladbach sportlich zurück in die Erfolgsspur coachen: Der Schweizer Fußballlehrer Gerardo Seoane.
Allerdings: Der 44-Jährige, der als Nachfolger von Daniel Farke (46) in der vergangenen Woche (9. Juni 2023) bei Borussia Mönchengladbach offiziell vorgestellt worden ist, macht bereits vor der ersten Trainingseinheit unter seiner Leitung klar, dass am linken Niederrhein zunächst einmal einiges an Geduld gefragt sein dürfte.
Gerardo Seoane sagte dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF): „Es ist so, dass sowohl Corona, als auch Transfergeschichten, die nicht so abgelaufen sind, wie man sich das gewünscht hätte, dem Verein eine schwierigere Zeit beschert haben. Was heißt, dass man vielleicht nicht mehr die finanziellen Mittel zur Verfügung hat, wie noch zu anderen Zeiten.“
Gladbach: Seoane packt die Borussia-Mission nüchtern an
Fakt ist: Gladbach ist in den vergangenen drei Geschäftsjahren (2020, 2021, 2022) auf einen Verlust von ingesamt 56,1 Millionen Euro gekommen. Drei Mal in Folge hat der Klub rote Zahlen geschrieben.
Drei Mal in Folge hat die Borussia auch die Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb verpasst.
Weshalb Fohlen-Manager Roland Virkus (56) mit seinem neuen Trainer vorerst auch nicht auf dem Spieler-Transfermarkt eine große Shopping-Tour starten kann.
Seoane ist sich der Erwartungshaltung aus den Reihen der Gladbach-Fans durchaus bewusst. „Die guten Zeiten haben in Gladbach die Messlatte sehr hoch gesetzt“, so der Eidgenosse, „aber im Moment muss man wirklich auch ein bisschen Demut an den Tag legen.“
Der Schweizer ordnet die aktuelle Situation im Borussia-Pak erst einmal nüchtern ein: „Wir analysieren jetzt, wo wir stehen und was wir für Möglichkeiten haben. Es hat in den vergangenen zwei, drei Jahren in der Bundesliga einige Klubs gegeben, die das besser gemacht und die Coronazeit besser überstanden haben. Die auch Transferlöse erzielen konnten, die ihnen in der schwierigen Zeit geholfen haben.“
Und weiter: „Da Ziel ist natürlich jetzt, das Ganze zu stabilisieren und wieder näher an die vorderen Mannschaften heranzurücken. Die letzten beiden Jahren zeigen einfach, resultatmäßig, wo man steht.“
In den vergangenen beiden Spielzeiten hat Gladbach die Bundesliga-Saison jeweils mit Platz zehn in der Tabelle beendet. Die letzte Saison war punktemäßig die schlechteste Spielzeit seit 2011.
Tiefpunkt: Teile der Gladbach-Fans pfiffen am Ende den Trainer bei Heimspielen schon VOR Spielbeginn aus.
Auf Seoane wartet also jede Menge Arbeit.
Am 9. Juli ist Trainingsauftakt für den Schweizer und die Gladbach-Profis.
Vorab hat der neue Coach schon mal einige Probleme recht unverblümt angesprochen.
Und so mancher Fohlen-Fan mag sich bei Seoanes Worten ein wenig an dessen Landsmann und Trainer-Kollegen Lucien Favre (65) erinnern.
Der hatte während seiner Zeit als Gladbach-Coach (2011 bis 2015) gebetsmühlenartig den Satz geprägt: „Wir dürfen nicht vergessen, woher wir kommen.“
Selbst als er Gladbach, nach Jahren der Tristesse, vom Relegationswunder bis in die Champions League geführt und eine Euphoriewelle entfacht hatte, betonte Favre diesen Satz immer wieder.
Oder antwortete selbst nach deutlichen Siegen mehrfach nur zu gerne in Blitz-Inteviews nach Spielende in diesem Duktus: „Sind Sie wahnsinnig? Ich habe viele Details gesehen, die wir besser machen müssen. Wir haben noch jede Menge Arbeit vor uns.“
Dem Schweizer gelang es mit seinen Verbal-Tricks so auch, dass Klub, Trainer, Team, Staff und Fans jahrelang, im Sinne der gemeinsamen Sachen, an einem Strang zogen.
Ein Feeling, welches Borussia inzwischen etwas abhanden gekommen zu sein scheint.
Seoane spricht nun, ebenfalls mit einem gewissen Schweizer Charme, von „Demut an den Tag legen“.
Und sicher hätte niemand rund um den VfL Borussia etwas dagegen, wenn es Seoane demnächst gelingen könnte, mit seiner Arbeit als Fohlen-Füsterer auch auf sportlicher Ebene Erinnerungen an die Ära des Grandseigneurs Favre im Borussia-Park hervorzurufen.