Baustelle Borussia-Park Was der neue Gladbach-Trainer alles anpacken muss
Lucien Favre (64), Daniel Farke (45), André Breitenreiter (48). Es sind so einige Namen, die aktuell rund um Borussia als neue Cheftrainer gespielt werden
Der VfL lässt sich öffentlich bei der Suche nach einem Nachfolger für Adi Hütter (52) bislang nicht in die Karten blicken. „Wir kommentieren keine Namen“, sagt Roland Virkus (55), Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach.
Gladbach: Wankelmut, Physis, Defensive – es gibt einiges zu tun
Fakt ist: Welchen Namen der neue Gladbach-Trainer auch tragen mag, dieser Fußballlehrer hat einige Baustellen in Gladbach zu bearbeiten, um die Fohlen nach Platz zehn wieder zurück unter die Top-Klubs in Deutschland coachen zu können.
GladbachLIVE verrät zehn der wichtigsten Aufgaben, die der künftige Cheftrainer im Borussia-Park mit Vorbereitungsstart auf die neue Spielzeit gleich anpacken sollte.
• Baustelle eins: Das Kabinenklima! „Ein Team“ – ein Slogan, der gut klingt, aber bei den VfL-Profis schon länger nicht mehr zählt. Grüppchenbildung, zum Teil schlechte Stimmung, immer wieder sind interne Dinge bis in die Öffentlichkeit durchgedrungen. Gladbachs neuer Trainer muss die Kabine wieder in den Griff bekommen, die Ich-AGs zurück auf Kurs bringen, für einen neuen Teamspirit im Sinne des Kollektivs sorgen, wenn es nicht erneut eine insgesamt enttäuschende Saison werden soll.
• Baustelle zwei: Das Defensiv-Verhalten. 61 Gegentore hat Gladbach in dieser Saison in Liga eins gefressen. Nur zwei Mannschaften haben in diesem Zeitraum noch schlechter verteidigt in der Bundesliga. Absteiger Greuther Fürth (82) und Relegationsteilnehmer Hertha BSC (71). Borussia-Manager Virkus legte bereits am Sonntag (15. Mai 2022) den Finger in diese Wunde und sprach Klartext: „Wenn du 61 Tore in einer Saison kassierst und keine defensive Stabilität findest, dann ist das ein großes Problem. Wir haben die drittschlechteste Abwehr nach dieser Saison – damit bist du eigentlich ein Abstiegskandidat.“ Zumal das Problem nicht neu ist: In der Saison 2020/2021 hatte Gladbach nach 34 Spieltagen 56 Gegentore bekommen. Macht 117 Gegentreffer in zwei Spielzeiten, sprich einen Gegentorschnitt von rund 1,72 pro Ligaspiel.
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• Baustelle drei: Physis und Fitness! Ex-Trainer Hütter hatte vor einigen Monaten in einer Medienrunde zu verstehen gegeben, dass die Fohlen-Elf in Sachen Laufbereitschaft zulegen müsse. Zu wenige intensive Läufe. Zu wenige abgespulte Kilometer. Hütter machte daraus keinen Hehl. Mit ingesamt 3819,87 Kilometern (112,35 km im Schnitt pro Partie) ist Gladbach nach 34 Spieltagen in der Bundesliga-Lauftabelle auf dem vorletzten Platz gelandet. Nur das Team des VfL Wolfsburg ist mit insgesamt 3779,62 km (Schnitt: 111,17 km) noch lauffauler als die Gladbach-Profis gewesen. Zum Vergleich: Das laufstärkste Team der abgelaufenen Saison, Arminia Bielefeld, kommt auf 4038,13 km (Schnitt: 118,77 km).
• Baustelle vier: Ausgeprägter Wankelmut! Hätten in der vergangenen Saison Gladbachs 34 Bundesliga-Spiele 45 statt 90 Minuten gedauert, wäre Borussia als Dritter in die Champions League eingezogen und neben Bayer Leverkusen der schärfste Bayern-München-Jäger gewesen – Konjunktiv. Aber: Da Gladbach wiederholt in der zweiten Halbzeit eingebrochen ist, sind die Fohlen, als eines der schlechtesten Zweite-Halbzeit-Teams, am Ende nur auf Platz zehn im Gesamtranking gelandet und haben ihre Saisonziele verpasst. Der kommende Coach sollte Borussia mehr Konstanz und entsprechende Mentalität einhauchen.
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• Baustelle fünf: Taktische Variabilität! Es ist kein Geheimnis, dass Gladbach in der abgelaufenen Saison des öfteren ausgecoacht worden ist. Die gegnerischen Trainer haben mehrfach spätestens zur Halbzeitpause Umstellungen vorgenommen, die auf Anhieb einen massiven Effekt auf das komplette Spielgeschehen hatten. Bestes Beispiel: Das Dusel-Remis gegen Mainz (3. April) im Borussia-Park. Die Mainzer änderten zur Pause die Taktik, Gladbach war nach gutem Beginn prompt ganz aus dem Spiel, gab die Führung ab, rettete mit extrem viel Glück noch das 1:1 über die Ziellinie. Auf taktische Kniffe und Umstellungen des Gegners fehlten der Borussia wiederholt in der vergangenen Saison die entsprechenden Antworten.
• Baustelle sechs: Kommunikation und Führung! „Wir haben eine ziemlich ruhige Mannschaft.“ Schon gleich nach Amtsantritt hatte Roland Virkus klar ausgesprochen, was sich zur neuen Saison bessern soll. Es fehlen offenbar klare Kommandos samt deren Umsetzung auf dem Spielfeld. Ein neuer Trainer dürfte in Sachen Hierarchie und Führungsspieler einiges zu feilen haben.
• Baustelle sieben: Kaderumbau! Gladbachs künftiger Trainer wird eine neue erste Elf formen müssen. Dass dieser Kader erneut nahezu unverändert in eine Spielzeit geht – das ist alleine durch die Abgänge von Zakaria im vergangenen Winter und die von Ginter und Bennetts zum 30. Juni bereits ausgeschlossen. Es dürften noch weitere Spieler den VfL im nahenden Sommer-Transferfenster verlassen. Das Team wird sich personell anders aufstellen, was es entsprechend zu moderieren und zu gestalten gilt.
• Baustelle acht: Mehr Spielkultur statt mehr „Rammel“-Fußball! Borussia Mönchengladbach hatte, beginnend mit der Ära von Lucien Favre (2011 bis 2015), in der Bundesliga wieder ein besonderes Merkmal eingenommen, eine Spielweise an den Tag gelegt, mit der sich die Menschen in einer ganzen Region haben identifizieren können. Neben Herz, Kampf und Leidenschaft und taktischer Finessen stand „BMG“ auch für feine Klinge. Um das mal in Favre-Sprache auszudrücken: „Tack-Tack-Tack.“ Die Fohlen liefen wie die Windhunde, der Ball gehorchte, die Gegner stöhnten nur zu oft genervt. Nach Favre hatten Trainer wie André Schubert (50) oder Dieter Hecking (57) diesen speziellen Gladbach-Stil modifiziert, jedoch nie in Gänze über Bord geworfen. Erinnert sei in diesem Kontext an das 62-Pässe-Tor der Fohlen-Elf unter Hecking im Februar 2019 bei Schalke 04. Torschütze Florian Neuhaus (25) vollendete ein Pass-Spiel der Extraklasse mit einem sehenswerten Treffer. Klar, der Fußball verändert und entwickelt sich weiter, ist noch physischer und athletischer geworden, jedoch würde Borussia künftig wieder etwas mehr vom typischen Gladbach-Style sicherlich sportlich gut zu Gesicht stehen.
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• Baustelle neun: Talente-Einbau weiter forcieren! Mit Luca Netz (19), Jordan Beyer (21) und Joe Scally (19) haben in der vergangenen Spielzeit schon drei Jungspunde in Reihen der Borussia teilweise beachtliche Leistungen zeigen können. Fakt ist allerdings: Netz und Scally wurden für stattliche Millionen-Summen von anderen Klubs geholt, nur Beyer kommt aus der Fohlen-Schmiede. Der neue Gladbach-Trainer dürfte künftig, mit Blick auf die Kassenlage, in Borussias eigenem Nachwuchs wieder verstärkter hinschauen.
Baustelle zehn: Euphorie entfachen! Das Gladbacher Publikum hat beim Bundesliga-Finale (5:1) gegen Hoffenheim (14. Mai) gezeigt, dass es bereit ist, sich von der eigenen Mannschaft auf Anhieb wieder „abholen“ zu lassen. Die Stimmung war top, selbst nach dem frühen Gegentreffer durch die Kraichgauer. Gelingt es dem neuen Trainer, im Borussia-Park in den kommenden Monaten nach einer Flop-Saison wieder das Euphorie-Feuer zu entzünden, kann das Gladbach einen zusätzlichen Schub geben, um sich sportlich in der Bundesliga wieder auf gehobenem Niveau zu stabilisieren.
Keine Frage, auf den neuen Gladbach-Trainer, ob er Favre, Farke, Breitenreiter oder anders heißen wird, wartet bereits jede Menge Arbeit.