Erster Abstieg seit 40 Jahren? Borussias altes Vorbild schaut in den Abgrund
Mönchengladbach/Bremen - Während Borussia Dortmund am Dienstagabend den FC Bayern München zum vermeintlichen Bundesliga-Klassiker empfängt, werden sich selbst die etwas Jüngeren noch dran erinnern: Von 2004 bis 2010 hatte Werder Bremen die Rolle des BVB als größter Herausforderer des Rekordmeisters inne.
Meister wurden die Hanseasten in dieser Zeit, zweimal Pokalsieger, zweimal Zweiter und dreimal Dritter, dazu erreichten sie 2009 das UEFA-Cup-Finale.
Eberl und Gladbach schauten auf zu Werder
Borussia Mönchengladbach wiederum schuf in den 70ern mit den Bayern den ersten großen Klassiker der Bundesliga-Geschichte und schaute zu den letzten Bremer Glanzzeiten so neidisch wie neugierig auf Werder.
Als Max Eberl (46) vor fast zwölf Jahren Sportdirektor in Gladbach wurde, beeindruckte ihn die Bremer Konstanz in allen Bereichen. Seit 1996 hatte Borussia damals stets Europa verpasst, einen einstelligen Tabellenplatz erreichte sie nur in ihren drei Zweitliga-Jahren.
Wie die Zeiten sich ändern! Neu ist die Erkenntnis, dass Gladbach sein Vorbild Werder überholt hat, nicht. Sie ist schon seit Jahren ein Teil der Erzählung vor jedem Duell der beiden Traditionsklubs. Wenn ab 20.30 Uhr im Weserstadion der Ball rollt, empfängt der 17. den Fünften der Tabelle. Die einen haben jüngst erstmals seit 124 Tagen gewonnen, die anderen sind erstmals seit Anfang Oktober aus den Champions-League-Rängen gepurzelt.
Bei Werder folgt auf einen Hoffnungsschimmer oft Enttäuschung
„Ich sitze hier nicht komplett hoffnungsfroh“, sagte Werder-Coach Florian Kohfeldt (37) am Montag. Seine Mannschaft könnte mit einem Sieg zwar die Lücke zu Fortuna Düsseldorf und zum Relegationsplatz schließen. Aber nach dem knappen 1:0-Erfolg beim SC Freiburg glaubt in Bremen niemand mehr als Selbstläufer.
Zu oft folgte diese Saison beim selbsternannten Europa-Aspiranten auf einen Hoffnungsschimmer die nächste Enttäuschung. „Es soll und muss jedem klar sein, dass wir nicht mehr viele Chancen bekommen. Einen anderen Hinweis auf Besserung habe ich nicht“, sagt Kohfeldt.
Eigenkapital, Hotel, Konstanz: Werder kann sich von Borussia viel abschauen
Geschäftsführer Frank Baumann (45) hat seinen Kollegen Eberl längst so häufig gelobt wie der einst die Arbeit seiner Vorgänger. „Was Max in den vergangenen Jahren aufgebaut hat, ist sehr, sehr beeindruckend. Auch, mit welcher Ruhe und welcher Qualität er Entscheidungen getroffen hat“, sagte er mal.
100 Millionen Euro Eigenkapital, ein Gebäudekomplex mit Hotel, Museum, Rehazentrum und Fanshop neben dem Stadion, ein neues Internat, nur zwei Trainer-Entlassungen in neun Jahren, bald neunmal in Folge einstellig und wohl zum sechsten Mal international dabei – all das imponiert auch den Bremern. Doch wenn sie vom Vorbild Gladbach sprechen, müssen sie sich an der Weser kurzfristig erst einmal an Borussias wundersamer Rettung unter Lucien Favre (62) im Jahr 2011 orientieren.
Kohfeldt wollte Werder Bremen zurück nach Europa führen
„Ich baue darauf, dass jeder verstanden hat, dass wir jetzt noch acht Endspiele haben“, sagt Kohfeldt. Anders als damals Favre in Gladbach fehlt ihm der Nimbus des Nichts-mehr-verlieren-Könnens. Er hat Werder seit 2017 vom Abgrund in die Nähe der Europa League und zurück geführt.
Vor dem Freiburg-Spiel forderte Bremens Rekordspieler Dieter Burdenski (69) im „Weser-Kurier“ Kohfeldts Entlassung: „Sie schauen tatenlos zu, wie das Schiff langsam sinkt, und die Rettungsboote werden nicht ausgeholt. Wenn ich ein Feuer entdecken könnte in der Mannschaft, würde ich an die Chance auf Rettung glauben. Aber da ist ja nicht mal ein Funke zu erkennen.“ Werder ist momentan ein Pulverfass, keine Spur von der Bremer Behaglichkeit.
Borussia Mönchengladbach will Wiedergutmachung
Was der Sieg am vergangenen Wochenende entfacht hat, wird sich schon am Abend gegen Borussia zeigen. Die ist nach dem 1:3 gegen Bayer 04 Leverkusen auf schnelle Wiedergutmachung aus, kommt mit drei Auswärtssiegen in Folge auf dem Konto.
Wie schlecht es um die Bremer steht, zeigt dagegen diese Statistik: Sieben Heimspiele nacheinander haben sie verloren. Mit der achten Niederlage würden sie den Negativrekord von Tasmania Berlin und Hansa Rostock einstellen.