Bensebaini im Exklusiv-Interview Faszinierende Story: Vom Barfuß-Kicker zum Bundesliga-Star
Mönchengladbach - Er hat den Fohlen-Fans den Ekstase-Moment des Jahres beschert: Gegen den FC Bayern traf Ramy Bensebaini (24) in der Nachspielzeit vom Elfmeterpunkt zum Sieg. Zuletzt war es etwas ruhiger geworden um den Shootingstar aus Algerien, Bensebaini fehlte verletzt. Doch nun ist Borussias Social-Media-King wieder da und bereit fürs Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim am Samstag (15.30 Uhr).
GladbachLIVE hat Bensebaini exklusiv sein erstes großes Interview in Deutschland gegeben. Darin spricht der Linksverteidiger über Barfuß-Fußball in seiner Heimat, bewegende erste Monate am Niederrhein und den Konkurrenz-Kampf mit Oscar Wendt (34).
Sie waren einen Monat lang raus mit einer Muskelverletzung, war es eine schlimmere Angelegenheit?
Ich hatte hinten am Oberschenkel einen kleinen Muskelfaserriss. Das dauert in der Regel zwei bis drei Wochen. Aber der betroffene Muskel lag relativ tief, deshalb habe ich mich etwas länger erholen müssen.
Aber jetzt sind Sie bereit für Ihr Comeback?
Ich fühle mich gut, trainiere wieder mit der Mannschaft. Also läuft alles nach Plan.
Ramy Bensebaini gewann mit Stade Rennes den Pokal
War es besonders ärgerlich, sich unmittelbar vor dem Rückrundenstart zu verletzen? Sie hatten sich bestimmt besonders viel vorgenommen.
Klar, es war ein schlechter Moment. Ich war vor der Winterpause in der Mannschaft, habe gute Spiele abgeliefert, denke ich. Aber es gibt nie einen guten Zeitpunkt für eine Verletzung. Nun versuche ich eben, mir meinen Platz zurückzuerobern.
Ihre ersten Monate bei Borussia konnten sich durchaus sehen lassen, mit dem Doppelpack gegen Bayern als Höhepunkt. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?
Die ersten Monate waren außergewöhnlich, fantastisch. Es war ja der erste Doppelpack meiner Karriere. Wir haben noch viele Spiele vor uns, können noch viel erreichen. Da will ich mich natürlich weiter beweisen und mich nicht zurücklehnen.
2019 war überhaupt einiges los bei Ihnen: Pokalsieg mit Rennes, Sieg beim Afrika-Cup mit Algerien, dann der Wechsel nach Gladbach.
Es war ein super Jahr, das mir auch gezeigt hat, dass man mit harter Arbeit vorankommt. Insofern fühlten sich die Erfolge nicht wie Zufälle an. Mein Anspruch ist, weiterzukommen und möglichst noch etwas draufzulegen.
Sie scheinen in Ihrer Heimat fast ein Popstar zu sein, haben wahnsinnig viele Follower in den sozialen Netzwerken. Haben die Erfolge Sie nochmal auf eine neue Ebene gehoben?
Ich war schon ein wenig bekannt, weil ich aus einer bekannten algerischen Jugend-Akademie komme. Aber klar, nach dem Sieg beim Afrika-Cup sind die Followerzahlen bei der kompletten Mannschaft in die Höhe geschnellt, nicht nur bei mir. Sagen wir’s so: In meiner Heimatstadt Constantine kenne mich ein paar Menschen mehr als vorher (lacht).
Sie haben die Akademie angesprochen, aus der Sie stammen. Wir haben uns mit dem Ex-Borussen Karim Matmour darüber unterhalten, dass dort barfuß und zum Teil gegen ältere Jugendliche gespielt wird. Erzählen Sie uns mehr über Ihre Zeit bei Paradou.
Ich war sechs Jahre dort. Drei davon haben wir mit nackten Füßen gespielt und ohne Torhüter. Wir hatten in der Zeit nur Freundschaftsspiele gegen ältere Teams, die wiederum mit Torhütern und Fußballschuhen aufgelaufen sind. Als wir irgendwann auch Schuhe angezogen haben, war das zuerst ziemlich ungewohnt. Für die Jungs und mich war es in gewisser Weise die einzige Chance, aus Algerien rauszukommen und etwas zu erreichen. Entsprechend haben wir uns reingehängt. Von dort bin ich dann nach Belgien gewechselt.
Sie haben eine feine Technik, sind aber auch ein sehr physischer Spieler mit einer starken Mentalität – haben sie das alles in der Akademie mitgenommen?
Dass ich jetzt hier sitze, habe ich ganz sicher Paradou zu verdanken. Die Akademie hat mir, wie Sie schon gesagt haben, in allen Bereichen viel mitgegeben. Allein das Barfußspiel: Es tut ganz schön weh, das lässt sich nur mit einem gewissen Kampfgeist aushalten. Von daher: Vielen Dank, Paradou!
Auf wen geht diese Schule zurück?
Jean-Marc Guillou, ein französischer Trainer, hat sie ins Leben gerufen in der Elfenbeinküste. Es gibt sie eben auch in Algerien, dazu in Ägypten oder in Mali. Mein Trainer bei Paradou war Guillous Neffe Olivier. Große Spieler wie Didier Drogba oder Yaya Touré haben diese Schule durchlaufen.
Marco Rose und Steffen Korell überzeugten Ramy Bensebaini
Wie sind Sie damals dort gelandet? Waren Sie vorher so ein richtiger Straßenkicker?
Ich habe in meiner Heimatstadt Constantine im Verein gespielt, war der Zehner und Kapitän. Die Akademie hat im ganzen Land Probetrainings veranstaltet. Ich durfte dann zu einem weiteren nach Algier. Aber meine Mutter wollte nicht, dass ich so weit weg gehe, weil ich erst zehn, elf Jahre alt war. Zurück in Constantine wollte mein alter Verein mich wiederum nicht mehr, also habe ich ein komplettes Jahr gar nicht im Verein gespielt. Beim Probetraining darauf hat es dann geklappt, und ich durfte zur Akademie gehen.
Ihr Werdegang klingt sehr konsequent, sie haben sich immer ein bisschen gesteigert: Constantine, Paradou, Lierse, Montpellier, Rennes – und warum nun Borussia?
Warum nicht? (lacht)
Sie hätten sicher auch zu einem größeren Klub in Frankreich gehen können.
Ich hatte Lust auf einen Tapetenwechsel, wollte ein neues Land und eine neue Liga kennenlernen. In der Hinsicht bin ich schon ein Entdecker. In Rennes war ich ja drei Jahre, habe am Ende den Pokal gewonnen. Es fühlte sich nach dem richtigen Moment an, etwas Anderes zu machen. Borussias Pläne klangen sehr interessant, während des Afrika-Cups hatte ich sehr gute Gespräche mit Marco Rose und Steffen Korell. Jetzt bin ich hier.
Haben Sie vorher bei jemandem durchgeklingelt, der Borussia gut kennt? Ibrahima Traoré oder Karim Matmour?
Nein, ich kannte ja niemanden. Karim kenne ich auch nur vom Sehen. Gegen Lasso (Alassane Plea, Anm. d. Red.) und Tikus (Marcus Thuram, Anm. d. Red.) habe ich in Frankreich gespielt. Gesprochen habe ich lediglich mit Jérôme Roussillon vom VfL Wolfsburg, der mein Teamkollege in Montpellier war. Der hat gesagt: Mach‘ es, du wirst es nicht bereuen.
Ist Borussia für Sie ein großer Klub?
Der Unterschied zu Frankreich ist schon riesig. Hier ist das Stadion voll, wenn es gegen Bayern geht. Aber es ist auch voll, wenn wir gegen den Letzten spielen. Die Stimmung ist überragend. Mir ist auch bewusst, dass der Klub eine große Geschichte hat. Das bereitet mir große Freude.
Und nun wollen Sie neue große Geschichten mit Borussia schreiben?
Ich hoffe es. Mit Rennes ist es mir gelungen, warum nicht auch hier?
Sind Sie generell ein Spieler mit großen Ambitionen?
Ich will mich erst einmal durchsetzen, möglichst viel spielen. Der Zweikampf mit Oscar Wendt ist hart, weil er echt Qualität hat. Das Ziel ist, voranzukommen, der Mannschaft zu helfen und möglichst unter den ersten vier zu bleiben, um in die Champions League zu kommen.
Reden wir nochmal über Ihren Last-Minute-Elfer gegen die Bayern. Sind Sie jemand, der – salopp gesagt – einfach diese „Eier“ hat und sagt: ‚Gebt mir den Ball, ich mach‘ den rein‘?
Eigentlich bin ich nicht der Typ, der diese Elfmeter schießt. Aber ich mache mich auch nicht verrückt in solchen Situationen. Ich habe mir gedacht: Wenn ich ihn verschieße, wird mir niemand den Kopf abreißen. Und wenn ich ihn reinschieße, wäre das echt geil. Klar, ein bisschen Druck war schon da gegen Manuel Neuer (lacht). Ich musste den Ball auch sehr genau in die Ecke setzen.
Wie haben Sie sich privat eingelebt seit Ihrem Wechsel?
Ich wohne in Düsseldorf, alleine. Aktuell ist meine Schwester zu Besuch. Ich bin nicht der Typ, der viel unterwegs ist, sondern mache es mir gerne zu Hause gemütlich mit Netflix oder an der Playstation. Ich habe ein eher unaufgeregtes Privatleben.
Haben Sie schon Lieblingsplätze in Düsseldorf?
Ich gehe wirklich nicht viel aus. Viele deutsche Spezialitäten kann ich leider nicht essen, weil ich mich halal ernähre. Aber das Restaurant „Lox“ in Düsseldorf mag ich sehr gerne.
Mutter berät Ramy Bensebaini in Geld-Fragen
Welche Musik hören Sie am liebsten?
Meistens französischen Rap wie Booba oder Gradur, ein wenig englischsprachigen Rap und dann auch ab und an algerische Musik.
Die „French Connection“ bei Borussia ist oft ein Thema. Die französischsprachigen Spieler hängen viel zusammen rum, kommen meist zusammen auf den Trainingsplatz. Besteht da auch die Gefahr, nicht so eine Bindung zum Rest aufzubauen?
Dass ich mich wegen der Sprache schneller mit dem einen oder anderen angefreundet habe und besser mit ihm kommunizieren kann, ist doch klar. Aber das heißt nicht, dass ich die anderen weniger leiden kann. Es gibt keine Gruppe in der Gruppe, wir sind eine Gruppe bei Borussia.
In Ihrem ersten Interview nach Ihrem Wechsel haben Sie gesagt, dass Sie schnell Deutsch lernen wollen. Wie kommen Sie voran?
Schwierig (lacht). Wenn Sie mir jetzt ein Wort sagen, kann ich mir das merken und es wiederholen. Aber morgen ist es dann wieder weg. Am Anfang hatte ich Unterricht. Aber als die Europa League losging, blieb kaum noch Zeit. Jetzt legen wir sporadisch wieder los.
Sie haben gesagt, die Akademie sei Ihre Chance auf ein besseres Leben gewesen. Sie haben es geschafft, verdienen als Fußballprofi überaus gut. Wie gehen Sie mit Geld um: Auch mal in Gönnerlaune oder sind Sie eher sparsam?
Meine Mutter berät mich da wie in so vielen Dingen sehr gut. Ich bin niemand, der das Geld aus dem Fenster wirft und teure Uhren oder so kauft. Ein Auto brauche ich halt, aber ich brauche kein zweites. Ich habe auch ein paar Projekte in Algerien und investiere dort. Aber klar, ab und an kaufe ich mir auch etwas.
Sie haben bei Borussia meist hinten links gespielt, können aber auch innen verteidigen. Auf welcher Position und in welchem System fühlen Sie sich am wohlsten?
Auf der linken Seite gefällt es mir schon am besten. Aber wenn der Trainer mich woanders sieht, passe ich mich natürlich an. Ich mag es, wenn ich hinten links jemanden vor mir habe, zum Beispiel Tikus.
Sie liefern sich einen richtigen Konkurrenzkampf mit Oscar Wendt. Er ist seit Ewigkeiten im Verein, hat mehr als 250 Spiele gemacht. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm?
Sehr gut! Oscar ist ein guter Typ. Wenn ich im Training mal etwas nicht verstanden habe, ist er einer der Ersten, der hilft beim Übersetzen. Klar, wir stehen in Konkurrenz zueinander. Aber das ist gut für ihn, gut für mich und unterm Strich gut für die Mannschaft. Wenn sich der Trainer für ihn entscheidet, dann hat das auch seine Berechtigung, weil Oscar einfach gut ist.