Abwehrmann musste schon vorne spielen Gladbach drohen Sturm-Sorgen im Endspurt
Da wird sich der eine oder andere Fan kurzzeitig die Augen gerieben haben.
Dass Innenverteidiger in der Schlussphase bei Rückstand eingewechselt werden, um mit ihrer Größe und Kopfballstärke für Unruhe im gegnerischen Strafraum zu sorgen, ist keine Seltenheit. Dass aber dieser Innenverteidiger für den einzigen nominellen Stürmer ins Spiel kommt, dürfte jedoch schon verwundern.
Genau das geschah am Sonntagabend (23. April 2023). Borussia Mönchengladbach lag in der Schlussphase gegen Union Berlin mit 0:1 zurück und Trainer Daniel Farke (46) brachte in der 87. Minute Abwehrspieler Marvin Friedrich (27) für Top-Torjäger Marcus Thuram (25.)
Gladbach-Schlussphase mit Friedrich im Sturm
„Ich wollte Marvin reinbringen, weil er eine hohe Qualität bei Standards hat und hatte schon so im Hinterkopf, dass er in den letzten Minuten vielleicht mit seiner Kopfballstärke bei langen Bällen dann auch eher in der Stürmerposition spielen kann“, erklärte Farke im Nachhinein den Wechsel. „Aber das hätte ich, glaube ich, erst in den letzten fünf Minuten gemacht.“
Inklusive Nachspielzeit spielte Friedrich acht Minuten als alleiniger Mittelstürmer, obwohl das eigentlich nicht Farkes Plan gewesen war. Thuram wäre wohl auf dem Feld geblieben, hätte er nicht verletzungsbedingt ausscheiden müssen: „So haben wir es jetzt einfach ein bisschen eher vorgezogen.“
„Marcus hat muskulär reagiert, er hat das Zeichen gegeben, dass es nicht weitergeht“, sagte Farke. „Da müssen wir erstmal die weiteren Untersuchungen abwarten.“
Gladbachs Top-Torjäger, mit 13 Treffern zudem auf einem geteilten zweiten Platz in der Torschützenliste der Bundesliga, droht nun also zumindest einen Teil der verbleibenden fünf Spiele zu verpassen.
Wie lange Thuram ausfällt, konnte Farke am Sonntagabend noch nicht voraussagen: „Das müssen wir abwarten jetzt. Ich hoffe natürlich, dass Marcus nicht zu lange ausfällt.“ Auch bis Montagmittag (24. April) gab es von Vereinsseite noch keine weiteren Informationen.
Dass Friedrich für Thuram in den Sturm musste, zeigt, wie groß das Gladbacher Stürmerproblem in den kommenden Wochen werden könnte. Einen anderen Mittelstürmer im Stile des Franzosen gibt es im Kader nicht.
Alassane Plea (30) hat diese Position zwar schon öfter bekleidet, ist unter Farke aber eher auf dem Flügel zu Hause. Auch Lars Stindl (34) kann in vorderster Front spielen, lässt sich dort aber oft tief fallen. Thurams Fähigkeiten als Zielspieler, wie sie im aktuellen System benötigt sind, haben beide nicht.
Zu Beginn des Jahres testete Farke sogar einmal Nathan Ngoumou (23) als Stürmer, doch auch dieses Experiment war beim 2:3 gegen Bayer Leverkusen nicht von Erfolg gekrönt.
Auch wenn es in den verbleibenden fünf Partien um nicht mehr allzu viel geht, dürfte ein Ausfall des Top-Torjägers nicht dafür sorgen, dass sich die Stimmung in Gladbach zum Saisonende hin verbessert. Auch für das Ziel, dass sich das Team mit guten Ergebnissen in die Sommerpause verabschiedet, wäre ein Fehlen von Thuram ein herber Rückschlag.
Andererseits könnte Thurams Fehlen auch als Testlauf für die kommende Saison genutzt werden, schließlich verlässt der 25-Jährige Mönchengladbach im Sommer ablösefrei. Plea, Ngoumou oder U23-Stürmer Semir Telalovic (23) könnten sich in den Fokus spielen. Und wer weiß, vielleicht feiert Marvin Friedrich auch noch einen weiteren Einsatz als „Neuner“.