Rekordumsatz – und jetzt? Borussias Rechnung für 2020 mit lauter Unbekannten
Mönchengladbach - Noch im Februar hat die Deutsche Fußball Liga (DFL) den 15. Umsatzrekord in Folge vollmundig gefeiert: Erstmals hatten die Bundesliga-Klubs in Summe mehr als vier Milliarden Euro erwirtschaftet. Am 21. April hätte sich Borussia mit dem Feiern angeschlossen. Doch die Mitgliederversammlung, auf der der Verein seine Rekordzahlen verkünden wollte, konnte bis heute nicht stattfinden. Corona hat nicht nur dort alles auf den Kopf gestellt.
213 Millionen Euro Umsatz – eine neue Bestmarke Mehr als zwölf Millionen Euro Gewinn nach Steuern – ein starkes Ergebnis nach den leichten Verlusten im Vorjahr. Eigenkapital in Höhe von 103,3 Millionen Euro – ein Meilenstein in der Borussia-Geschichte. Diese Zahlen hatte Geschäftsführer Stephan Schippers (52) bereits bestätigt. Im neuen „FohlenEcho“ wurden nun auch die Mitglieder (mehr als 93.000 sind es inzwischen) ausführlich über die Finanzzahlen der Borussia VfL 1900 Mönchengladbach GmbH und des e. V. informiert.
Borussia hätte 2020 wohl den nächsten Rekordumsatz erzielt
Angesichts der Krisenzeiten (O-Ton Schippers: „Substanz-, aber nicht existenzbedrohend“) fällt die Freude gedämpft aus. „Rekordumsatz“ lautet zwar die Schlagzeile, aber es folgt ein fetter Wermutstropfen in sieben Wörtern: „Doch Corona macht Borussia das Leben schwer.“
Es bedarf keiner Fantasie, um sich auszumalen, dass die Fohlen 2021, bei der Verkündung des Ergebnisses 2020, wieder allen Grund zum Feiern gehabt hätten. Die TV-Erträge wären von 85,1 Millionen Euro in Richtung 100-Millionen-Marke geklettert. Schließlich sind die Erlöse im Vier-Jahres-Vertrag zwischen DFL und Rechtinhabern gestaffelt, und 2020/21 ist die letzte Saison der laufenden Rekord-Periode.
In der Champions League hätte Borussia mit etwa 25 Millionen Euro kalkulieren können, ohne dass ein Ball gerollt oder ein Ticket verkauft worden wäre. Allein das Startgeld in der Königsklasse übertrifft leicht die kompletten Einnahmen aus der Europa-League-Gruppenphase. Zudem hätte es der überdrehte Transfermarkt den Machern vermutlich schwer gemacht, die Erfolgsmannschaft komplett zusammenzuhalten. Der Transfer-Rekord von Granit Xhaka (2016 für 45 Millionen Euro zum FC Arsenal) hätte gewackelt.
Borussias Umsätze seit 2011
- 2011: 72,0 Millionen Euro (3,5 Mio. Verlust)
- 2012: 122,3 Mio. (15,2 Mio. Gewinn)
- 2013: 91,4 Mio. (0,5 Mio. Gewinn)
- 2014: 129,8 Mio. (12,8 Mio. Gewinn)
- 2015: 160,6 Mio. (21 Mio. Gewinn)
- 2016: 196,9 Mio. (26,8 Mio. Gewinn)
- 2017: 179,3 Mio. (6,6 Mio. Gewinn)
- 2018: 173,2 Mio. (3,6 Mio. Verlust)
- 2019: 213,0 Mio. (12,2 Mio. Gewinn)
2020 wäre das erste komplette Jahr mit Hotel, Vereinsmuseum und großem Fanshop gewesen. Und dann weiß auch niemand, ob Borussia ohne Corona nicht einen noch lukrativeren Hauptsponsor-Vertrag abgeschlossen hätte. 250 Millionen, vielleicht sogar an die 300 Millionen Euro Umsatz? Es wäre keine Utopie gewesen.
Gladbach kalkuliert nicht mit großen Zuschauereinnahmen
Stattdessen steckt der Profifußball in seiner wohl größten Krise. Das große Problem: Schon jetzt gibt es immense Löcher zu stopfen, deren finale Größe noch niemand mit Gewissheit abschätzen kann. Der Restart der Bundesliga hat immerhin die Pleite für einige Vereine verhindert, die weniger solide gehaushaltet haben als Borussia. Trotzdem sind dem VfL seitdem bereits 13 Millionen Euro durch die Lappen gegangen. Mit einem Minus von bis zu 45 Millionen rechnen die Bosse im Worst Case.
Mitte Juli wäre in normalen Zeiten längst ein wärmender Geldregen über dem Borussia-Park niedergegangen. Aber der Verein hat sich entschlossen, dass die 30.000 Dauerkarten erst ab der Rückrunde gültig sein werden – weshalb am 12. August nur die Hälfte der Summe bei den Inhabern abgebucht wird.
Mit ihrem Verzicht auf Erstattungen für die bisherigen Geisterspiele haben sie dem Verein rund 400.000 Euro zugutekommen lassen. Überhaupt spielen Ticket-Einnahmen in Borussias Kalkulation bis Jahresende keine große Rolle. Die Planungen für eine Rückkehr der Fans laufen zwar, die DFL hat einen Leitfaden entwickelt, doch selbst bei einer optimistischen Prognose drohen weitere Millionenverluste.
Schippers mahnt zur Zurückhaltung
„Ich bin gespannt, was der Fußball – aber auch alle, die den Fußball begleiten, ob Verantwortliche, Medien oder Fans – aus dieser Zeit lernen“, sagt Schippers und schiebt hinterher: „Die Forderung, doch bitte mal ins wirtschaftliche Risiko zu gehen, um sportlichen Erfolg zu erzwingen, möchte ich eigentlich nie mehr hören.“
Borussia: Die Entwicklung der TV-Einnahmen
- 2016: 64,1 Millionen Euro
- 2017: 65,9 Mio.
- 2018: 71,8 Mio.
- 2019: 85,1 Mio.
Deshalb wird Borussia bei ihrem Credo bleiben, nur das in neue Spieler zu investieren, was sie einnimmt (oder durch auslaufende Verträge einspart). Von zweistelligen Millionenbeträgen hat sich Manager Eberl längst verabschiedet, weil er auf der anderen Seite auch keinen seiner Stars abgeben will. Allein bei einem „unmoralischen Angebot“, wie Eberl die Offerten oft nennt, die ein Klub wie Gladbach kaum ablehnen kann, dürfte die sportliche Leitung noch einmal ins Grübeln geraten.
Nicht ganz so unsicher wie die Zuschauereinnahmen ist die Lage bei den Fernsehgeldern. Hier hat die DFL dennoch längst klargemacht, sich auf erhebliche Einbußen einzustellen. Die Vereine purzeln den Berg hinunter, den sie seit Jahren ohne Blick zurück erklommen haben. Immerhin landen sie nicht im Tal, sondern auf einer Anhöhe. Noch gar nicht öffentlich hat sich die UEFA zum Thema Finanzen für die kommende Saison geäußert. Im August schließt sie in Champions und Europa League erst einmal die laufende ab.
Champions League: 2,7 Millionen Euro für jeden Sieg
Der einzige Bereich, den die Fohlen richtig selbst beeinflussen können, ist deshalb der auf dem Rasen. Für jeden Punktgewinn in der Champions League gibt es – Stand jetzt – 900.000 Euro, für jeden Sieg 2,7 Millionen. Für den Einzug ins Achtelfinale erhält jeder Klub noch einmal 9,5 Millionen Euro. Borussias Abschneiden in Europa könnte ein echter „Gamechanger“ werden. Jedes Tor stopft das riesige Loch, das die Corona-Krise verursacht hat.