Ein riesiger Patzer, zwei große Paraden Gladbachs Sommer mit rätselhaftem Auf und Ab
München/Mönchengladbach - Yann Sommer (31) hätte sich besser von seinem Landsmann inspirieren lassen, dem besten Schweizer Sportler der Geschichte. Roger Federer (38) spielt zwar Tennis, doch vermutlich hätte er über Sommers fatale Fehleinschätzung in der 26. Minute ebenfalls gesagt: „Einfach Longline den Chip spielen – und die Sache ist erledigt.“
Yann Sommer ärgert sich über seine Entscheidung
Sommer wusste natürlich selbst, was er da verbockt hatte, indem er Bayerns Joshua Zirkzee (19) mit einem halbhohen Querpass, ohne überhaupt richtig einen Mitspieler zu fokussieren, den Ball in den Fuß gespielt hatte. Der Youngster traf ins leere Tor zum 1:0, Borussia verlor nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich durch den Treffer von Leon Goretzka (25) in der 86. Minute.
„Man muss eine gute Balance haben zwischen Risiko und Sicherheit. Es war ein ganz klarer Fehler von mir. Ich habe die falsche Entscheidung getroffen, über die ich mich natürlich extrem ärgere“, sagte Sommer.
Vehement verteidigten ihn seine Kollegen und sein Trainer im Nachgang. „Wenn er 100.000 Mal den Ball wegschlägt, hat 100.000 Mal der Gegner den Ball. So haben eben 99.999 Mal wir den Ball, fressen aber ein Gegentor“, rechnete Christoph Kramer (29) vor. „Seine Spielweise ist sehr wichtig für uns, das kann immer passieren.“
Marco Rose fordert auch von seinem Torwart weiter Mut
Auch Rose betonte, dass er Sommer keinen Vorwurf mache: „Du kannst nach München fahren, nur die Bälle nach vorne pöhlen, auf Umschalten setzen und bist irgendwann platt – oder du kannst die Bayern vor Aufgaben stellen. Ich wollte, dass die Jungs mutig sind.“
Bei aller Rückendeckung für den Keeper fällt aber auf, dass Sommers Unsicherheiten in den vergangenen Monaten zugenommen haben. Der Bock gegen die Bayern befördert ihn in eine Riege, in die er aufgrund seiner sonstigen Leistungen gar nicht gehört: Nur die beiden Schalker Torhüter Alexander Nübel (23) und Markus Schubert (22) haben sich in dieser Saison ebenfalls schon vier schwere Fehler vor Gegentoren geleistet.
Warum patzt Yann Sommer plötzlich häufiger?
Gleichzeitig bleibt Sommer der Bundesliga-Keeper mit der besten Abwehrquote (75 Prozent). Auch in München rahmten zwei herausragende Paraden den Patzer ein. Nicht nur deshalb macht sich Borussias Vize-Kapitän keine Sorgen um sein Standing: „Ich bin so lange mit dieser Mannschaft unterwegs. Wir verzeihen jedem jeden Fehler. Das gehört einfach dazu. Wir haben einen super Spielstil mit viel Mut und Risiko.“
Woher die erhöhte Fehlerquote bei Sommer kommt, ist dennoch rätselhaft. Im Dezember griff er in der Europa League gegen Basaksehir bei einem harmlosen Weitschuss daneben. Anfang Februar purzelte er beim Herauslaufen über Denis Zakaria (23), Leipzigs Patrik Schick (24) musste nur einschieben.
Vor der Corona-Pause hatte ein weiteres Missverständnis mit Zakaria Folgen: Gegen Dortmund trat ihm Sommer bei einem Klärversuch versehentlich vors Knie, der Mittelfeld-Star fällt bis zum Saisonende aus. Im Derby gegen Köln musste Borussia dann noch einmal zittern, nachdem Sommer dem Gegner einen Flachpass in den Fuß gespielt hatte, Mark Uth (29) erzielte den Anschlusstreffer.
Fehler bringt Sommer nicht aus der Fassung
In diesem Jahr hat Gladbachs Rückhalt (seit 2014 im Verein) nur einmal die Null gehalten, und um dieses Erfolgserlebnis hätte er sich kürzlich in Bremen beinahe selbst gebracht, als er es mit dem Ball am Fuß mit zwei Gegenspielern aufnahm. „So eine Sache wie dieses Dribbling muss nicht sein, aber gehört auch mal dazu. Beim nächsten Mal wird er so einen Ball sicher lang spielen“, sagte Torwarttrainer Uwe Kamps (55) danach im GladbachLIVE-Interview.
Doch diese Erinnerung ermunterte Sommer nun offenbar nicht dazu, gegen die Bayern auf Nummer sicher zu gehen. „Es bringt mir im Spiel ja nichts, lange herumzustudieren“, sagte er über seinen unmittelbaren Umgang mit dem Fehler. Immerhin das muss man Sommer lassen: Sein Patzer zum 0:1 brachte ihn nicht aus der Fassung.