GladbachLIVE-Interview Die Bayern kommen! „Doppelagent” Witeczek verrät: „Das ist ihre Schwachstelle”
Mönchengladbach - Borussia trifft am Freitagabend (20.30 Uhr) in der Bundesliga bereits zum 105. Mal auf den FC Bayern München. Ein geschichtsträchtiges Duell, das Ex-Fohlen Marcel Witeczek (52) im Verlauf seiner Karriere im Trikot beider Klubs mehrfach erlebt hat.
Marcel Witeczek: Vier Jahre Bayern, sechs Jahre Borussia
Der deutsche U-Nationalspieler kickte ab 1993 vier Jahre lang für den Rekordmeister und schoss die Münchner in seiner letzten Saison zum Titel. Kurze Zeit später wechselte Witeczek die Seiten und hielt sechs Jahre lang am Niederrhein seine Knochen hin.
Im Gespräch mit GladbachLIVE erinnert sich der bayrisch-rheinische Doppelagent an Ascheplätze am Bökelberg und verrät, wie der Underdog den Tabellenführer schlagen kann.
Herr Witeczek, mit welchen Gefühlen verfolgen Sie das Aufeinandertreffen ihrer beiden Vereine am Freitag?
Relativ entspannt. Bei beiden Vereinen läuft es ja ganz gut. Es wird trotz allem ein interessantes Spiel am Freitag, wo der Ausgang doch relativ unsicher ist. Beide haben die Chance, zu gewinnen.
Für welche Seite schlägt denn am Freitag Ihr Herz?
Ich bin da heute relativ neutral in der Geschichte, weil ich für beide gespielt habe. Und beiden wünsche ich immer das Beste. Bei Bayern hatte ich zwar mehr Erfolg, aber bei Gladbach war ich länger. Ich habe bei beiden negative, aber vor allem auch positive Sachen erlebt: Zum Beispiel die Meisterschaften bei Bayern oder den Aufstieg mit Borussia.
Sie kennen das Innenleben beider Klubs. Was unterscheidet Borussia und Bayern?
Zu meiner Zeit gab es in Gladbach noch das alte Bökelbergstadion. Das war schon ein Unterschied zum großen Olympiastadion in München. Die Professionalität war viel höher und das Trainingsgelände war viel besser bei Bayern als damals in Gladbach. Wir hatten ja mehr oder weniger kein eigenes Trainingsgelände und haben am Bökelberg sogar noch ab und an auf einem Ascheplatz trainiert.
Wie haben Sie die Umstellung erlebt?
Das war schon sehr abenteuerlich. Der Umzug war gewöhnungsbedürftig. In Bayern gab es ein großes Trainingsgelände mit Rasenheizung. Dagegen war das in Mönchengladbach in damaliger Zeit noch ziemlich rückständig. Aber mittlerweile hat sich das alles verändert. Die Trainingsanlage bei Borussia ist ja super. Wahrscheinlich eine der besten in der Bundesliga.
Sie waren damals 28 Jahre alt und spielten beim FC Bayern eine wichtige Rolle. Warum der Wechsel in die Fußball-Provinz?
Meine Familie und ich wollten zurück an den Niederrhein. Das war einer der Gründe. Es war natürlich für mich leichter, Stammspieler bei Gladbach zu werden, als jedes Jahr bei Bayern darum zu kämpfen. Ich war bei Bayern einer der wenigen Nicht-Nationalspieler. Nach vier Jahren hab ich dann gedacht: Du willst ja ohnehin zurück an den Niederrhein. Borussia war auch ein Traumverein damals für mich. Ich war als Jugendlicher Gladbach-Fan. Und die Chance war dann damals da: Mein Vertrag ist ausgelaufen und Rolf Rüssmann (Manager von Borussia Mönchengladbach, Anm. d. Red.) hat sich damals sehr um mich gekümmert.
Wäre das heute noch denkbar, dass ein Top-Spieler im besten Alter diesen Weg geht?
Für Spieler, die bei Bayern nicht ganz regelmäßig spielen, wäre so ein Wechsel vielleicht besser. Für mich war das jedes Jahr ein Kampf. Aber man kann das schlecht vergleichen mit der Situation heute. Damals waren sowohl die Mentalität, als auch die Gehälter, anders.
Sie haben in Ihrer Karriere Trainer-Größen wie Franz Beckenbauer, Giovanni Trappatoni oder auch Hans Meyer erlebt. Was macht für Sie den Erfolg von Hansi Flick bei den Bayern aus?
Ich glaube er hat einen sehr guten Draht zu den Spielern gefunden, hat genau die richtige Sprache gewählt. Er hat auch die richtigen Spieler gewählt, denen er vertrauen kann, die sein Sprachrohr in der Mannschaft sind: Müller, Kimmich, Neuer und Lewandowski. Da hat Flick, aus meiner Sicht, genau die richtigen Knöpfe gedrückt.
Ist diese Beziehung zu den Top-Stars Ihrer Erfahrung nach bei den Bayern besonders wichtig?
Das ist, glaube ich, in jeder Mannschaft so. Ein Trainer muss das Gespür dafür haben, eine Verbindung zu den Führungsspielern so aufzubauen, dass seine Philosophie auf die Mannschaft übergeht. Das können ja nur Spieler übertragen, die selber vorweggehen. Das ist momentan ein ganz wichtiger Teil der Trainer-Arbeit.
Wer hat am Freitag im Trainer-Duell die Nase vorne?
Das ist auf der Trainer-Position ein Duell auf Augenhöhe. Sie sind beide recht frisch in der Bundesliga. Hansi Flick hat ja bei Bayern fast alles gewonnen. Mit Rose ist Gladbach auch sehr zufrieden. Da haben beide einen guten Griff getan.
Sie rechnen Borussia am Freitag Chancen aus. Wo sind Flicks Bayern verwundbar?
Die Schwächen sind in der Defensive, wo Pavard seine Form noch nicht gefunden hat, und die Innenverteidiger auch noch nicht so stark sind wie letztes Jahr. Mainz hat es vorgemacht: Schnell umschalten ist das Allerwichtigste. Da haben die Bayern ihre Schwachstelle. Boateng, Süle oder Alaba sind überlaufen worden und waren teilweise hinten in Unterzahl, weil zu viele Spieler vorne waren. Das Umschalten von Offensive in Defensive ist momentan bei Bayern schlecht. Das muss Borussia ausnutzen.
Gladbach hat den Bayern in den vergangenen Jahren immer wieder ihre Schwächen aufzeigen können. Woran liegt es, dass der Rekordmeister mit Borussia Probleme hat?
Das ist schwer zu sagen. Aber es ist auf jeden Fall eine schöne Entwicklung, die sie beibehalten müssen. Dann können sie zum Angstgegner der Bayern werden. Man ist natürlich besonders motiviert: Gladbach gegen Bayern – das ist ein Klassiker aus den Siebzigern und das war immer ein besonderes Spiel.
Sehen Sie hier die Pressekonferenz der Fohlen vor dem Bundesliga-Spiel zwischen Borussia Mönchengladbach und dem FC Bayern München:
Was ist denn ihr Tipp für die Neuauflage dieses Klassikers am Freitag?
Ich tippe auf ein Unentschieden, 2:2. Ich werde mir das vorm Fernseher angucken und das wäre ein spannendes Ergebnis.