Gladbach-Manager Virkus im Interview Vertrags-Poker! So ist der Stand bei Thuram, Sommer und Bensebaini
Roland Virkus wurde für viele überraschend im Februar bei Borussia Mönchengladbach Nachfolger von Max Eberl, der den Klub nach 23 Jahren verlassen hatte. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) spricht der 55-Jährige über seine Anfangszeit im neuen Amt, über Trainer Farke und aktuelle Herausforderungen.
Gladbach-Manager Roland Virkus spricht im Interview zur aktuellen Situation bei Borussia
Sie haben am Dienstag (18. Oktober 2022) einen ganz bitteren Pokalabend erlebt, mit dem Aus in Darmstadt und zwei verletzten Schlüsselspielern. Wie bewerten sie die mentale Situation vor dem Spiel gegen Frankfurt?
Das Pokal-Aus war bitter, weil wir natürlich gerne eine Runde weitergekommen wären. Allerdings kann es nun einmal passieren, dass man so ein Spiel beim Tabellenführer der zweiten Liga verliert. Was die Personalsituation angeht: Generell war es in der Hinrunde ja immer wieder mal so, dass uns neben den Langzeitverletzten weitere wichtige Spieler gefehlt haben, so wie Lars Stindl, Alassane Plea oder zuletzt Christoph Kramer. Darauf haben wir bislang gemeinsam Antworten gefunden, und ich gehe davon aus, dass es auch diesmal so sein wird.
Aufgefallen ist schon nach dem 1:5 in Bremen, dass Trainer Daniel Farke sehr sachlich blieb. Wie passt sein ostwestfälisches Gemüt bislang zur rheinischen Mentalität?
Es gibt da eine große Passung. Er hat eine hohe fachliche Kompetenz. Dann gibt es aber noch die Vermittlungskompetenz: Wie kommt er an die Jungs ran? Das macht er hervorragend.
Er gibt den Spielern viel inhaltlichen Input und redet sehr viel. Sehen sie keine Gefahr, dass das den Spielern irgendwann auf die Nerven geht, wenn es nicht so läuft?
Wir sind uns bewusst, dass Eigenschaften eines Trainers je nach Stimmungslage immer positiv und negativ ausgelegt werden können. Aber er macht das schon sehr gut. Er lockert auch viel auf. Das ist eine sehr gute Geschichte.
Von den Rückschlägen in Bremen und Darmstadt abgesehen, war Farkes Start vielversprechend. Er hat sich in England einen gewissen Ruf erarbeitet und steht immer mal wieder in Kontakt mit Pep Guardiola. Sehen sie kein Risiko, dass er bei nachhaltigem Erfolg in Gladbach schnell nach höherem strebt, so wie das zum Beispiel bei Marco Rose war?
Daniel hat in Norwich vier Jahre gearbeitet. Wenn man mit Norwich in England aufsteigt, erzeugt das natürlich Aufmerksamkeit und weckt Begehrlichkeiten. Da hat er auch nicht gesagt, dass er jetzt zum FC Liverpool, nach Manchester oder einem anderen großen Club muss. So etwas haben wir schon beobachtet. Ich glaube schon, dass er ein sehr bodenständiger Typ ist und Kontinuität möchte. Aber natürlich hat er die Kompetenz in anderen Clubs zu arbeiten. Vielleicht ist es irgendwann auch mal so. Aber kurzfristig würde ich das ausschließen, wenn ich mir anschaue, wie er bislang gearbeitet hat.
Frage: Sie sind Anfang des Jahres unverhofft nach Max Eberls Abgang zum Sportchef geworden. Wie war speziell der Anfang für sie?
Vielleicht habe ich mir das einfacher vorgestellt. Die Wucht insbesondere von Social Media habe ich unterschätzt. Das hatte ich im Juniorenbereich ja nicht. Alles, was in den normalen Medien gelaufen ist, war völlig fair, völlig sauber. In den Sozialen Netzwerken war das anders.
Frage: Es gab im Umfeld einige Zweifel, als bekannt wurde, dass der Leiter des Nachwuchsleistungszentrum Eberls Nachfolger wird. Hat sie das geärgert?
Es ist doch völlig klar, dass ein Mann, der nach Max Eberl kommt, der riesengroße Fußstapfen hinterlassen hat, erst mal kritisch beäugt wird. Da wird geschaut: Kann der das? Da muss man erst mal mit seiner Arbeit überzeugen, da muss man liefern.
Frage: Haben sie sich Rat von Eberl geholt?
Nein. Wir hatten in den Jahren zuvor einen ganz engen Draht. Nachdem Max gegangen ist, habe ich ihn auch erst mal in Ruhe gelassen. Er hat ja auch einen Grund für seinen Abgang genannt: Weil er sich erschöpft fühlte. Dann lässt man einen Menschen auch erst mal in Ruhe.
Gab es denn nach seinem Ausscheiden gar keinen Kontakt?
Nein. Es gab einen kurzen Kontakt per WhatsApp, wo er mir für die Aufgabe Glück gewünscht hat. Natürlich will ich mit Max im Nachgang ein paar Themen besprechen. Das ist mir wichtig. Max ist mein Chef gewesen. Er ist ein Top-Manager. Ich habe vieles von ihm lernen können.
Hat es sie gewundert, dass er ausgerechnet zu RB Leipzig geht – einem Konstrukt, was er jahrelang vehement kritisiert hat?
Das ist ja die persönliche Entscheidung von Max Eberl. Das hat man zu respektieren.
Was hat sie in ihrer Zeit als Sportchef bislang am meisten überrascht?
Es haben viele Menschen unterschätzt, in welcher Situation wir waren, als ich in der laufenden Saison in das Amt kam. Die Mannschaft, die im Kern eine sehr hohe Qualität hatte, war sehr fragil. Dann gab es äußere Themen wie den Abgang vom Max, Corona und die finanziellen Folgen dadurch. Diese Saison war sehr schwierig. In dieser Gemengelage sind in der Vergangenheit andere Clubs abgestiegen.
Sie haben die auslaufenden Verträge von Alassane Plea und Jonas Hofmann verlängert. Wie sieht es aktuell bei Yann Sommer, Ramy Bensebaini und Marcus Thuram aus?
Wir haben für uns erst mal tragenden Säulen bei Borussia definiert, mit denen wir gerne verlängern wollen. Das war bei Jonas Hofmann so, natürlich war das auch bei Alassane Plea so, und es ist doch klar, dass auch ein Yann Sommer dazu gehört. Nur ist es so, dass man selbst einen Wunsch hat, aber auch die Vorstellungen der Gegenseite akzeptieren muss. Das gilt natürlich auch für Thuram und Bensebaini. Bei beiden hatten wir eine Idee, sie nach einer durchwachsenen Saison wieder auf ein gewisses Level zu bringen. Ich glaube, dass wir das derzeit gemeinsam mit ihnen super hinbekommen. Dennoch kann es aber natürlich passieren, dass sie gerne noch mal einen neuen Schritt gehen würden. Da haben wir nur bedingt Einfluss. Es gibt in diesem Verein gewisse Grenzen finanzieller Art. Zudem kann ich hier keinem Spieler garantieren, jedes Jahr international zu spielen. Wir sind mit allen in Gesprächen. Ganz offen und transparent. Ich würde mich freuen, wenn wir noch den ein oder anderen Vollzug vermelden könnten. Das sind aber nicht nur die drei. Schauen sie sich Lars Stindl oder Chris Kramer an. Lars erlebt gerade seinen gefühlt siebten Frühling. Den würden wir auch gerne überzeugen, mindestens noch ein Jahr oder länger zu bleiben. Und für Chris gilt dasselbe. Der ist immens wichtig für die defensive Stabilität der Mannschaft.
Wirtschaftlich würde sie ein Abgang von Thuram und Bensebaini aber hart treffen, denn bei aller Klasse von Sommer stehen da noch andere Marktwerte zur Debatte...
Ich habe da ja kaum einen Hebel. Nur es ist doch utopisch, zu glauben, dass man für einen Spieler, der nur noch ein halbes Jahr Vertrag hat, noch Unmengen bekommt. Da muss man abwägen zwischen dem, was ein Spieler dir ein halbes Jahr noch geben kann, zu dem, was er dir finanziell bringt.
Das hört sich eher danach an, dass sie Thuram und Bensebaini im Winter eher nicht gehen lassen würden...
Ich kann es nicht komplett ausschließen. Das hängt davon ab, was kommt. Eigentlich hat man aber ja eine Saison mit einer Idee geplant. Die will man grundsätzlich dann auch mit diesem Kader zu Ende spielen. Aber wer weiß, was passiert. Vielleicht kommt jemand und bezahlt eine Summe, mit der wir den Spieler auch ersetzt bekommen – auch wenn das natürlich eine sehr große Herausforderung wäre.
Von welchem Einfluss für den Markt durch die WM in einem Monat gehen sie aus?
Der Markt wird auch im Winter ganz kompliziert sein. So eine Situation hatten wir noch nie. Natürlich wird das eine Bühne für den ein oder anderen Spieler. Aber wir müssen ja nicht handeln, denn es läuft ja gut, und wir sind auf einem guten Weg.
Möglicherweise gibt es für Yann Sommer keine Bühne bei der WM. Er hat sich in Darmstadt einen Bänderriss zugezogen. Falls er nicht rechtzeitig fit wird – welchen Einfluss hätte das für seine Zukunft?
Ich gehe nicht davon aus, dass die Verletzung da Einfluss drauf nimmt, da Yanns Karriereplanung sicherlich eher langfristig angelegt ist und unabhängig ist von dieser Verletzung.
Zur Person: Roland Virkus (55) war bis zum Februar Leiter des Nachwuchsleistungszentrums von Borussia Mönchengladbach. Nach dem plötzlichen Abgang von Sportchef Max Eberl wurde er im Februar dessen Nachfolger. Virkus ist gebürtiger Mönchengladbacher und im Verein und der Region tief verwurzelt.
(Carsten Lappe, dpa)