Lob für Borussia, aber... Klartext von Gladbach-Legende: „So wie bisher geht es nicht weiter“
Mönchengladbach - Es ist zeitweise medial ruhiger gewesen rund um Jupp Heynckes. Bayerns Triple-Sieger-Trainer (außer Dienst) und Ehrenring-Träger der Stadt Mönchengladbach lebt mit seiner Frau Iris auf einem restaurierten Bauernhof im idyllischen Örtchen Schwalmtal-Fischeln. Die niederländische Grenze ist nur wenige Autobahn-Kilometer entfernt. Der Borussia-Park ebenso.
Heynckes steht vor 75. Geburtstag
In wenigen Tagen feiert der Starcoach (gewann mit Real Madrid und dem FC Bayern die Champions League) seinen 75. Geburtstag. Heynckes, eine am Niederrhein verehrte Fohlen-Elf-Legende, hat sich offenkundig intensiv mit der aktuellen Viruspandemie auseinandergesetzt. Das ist nun in einem Interview mit der „Welt“ deutlich geworden.
Heynckes fordert die Gesellschaft, speziell den Fußball, auf, aus der Coronakrise zu lernen. Der Welt- und Europameister sagt: „Ich sehe das wie sehr viele andere Menschen: Es ist eine unwirkliche Situation, eine unwirkliche Zeit. Vor zwei, drei Monaten hätte man sich nicht vorstellen können, dass so etwas in Deutschland, in Europa oder auf der ganzen Welt passiert.“
Nicht gut: Ich-AGs und Egoismus
Er betont weiter: „Die Corona-Pandemie zeigt uns gerade, dass wir Menschen verwundbar und nicht unbesiegbar sind. Ich finde auch, dass sie uns verdeutlicht, dass nicht nur wir Menschen untereinander mehr Rücksicht nehmen und Solidarität üben müssen, sondern dass wir viel, viel sorgsamer mit unserer Umwelt umgehen müssen. So wie bisher geht es nicht weiter.“
Mit Blick auf den Profifußball sagt Heynckes konkret: „Es geht um Fehlentwicklungen, die es im Fußball gab, aber auch insgesamt in der Gesellschaft. Da meine ich die Ich-AGs oder den Egoismus. Das Miteinander, das Menschliche oder die Solidarität sind zuletzt viel zu kurz gekommen.“
„Teilweise war das unmoralisch“
Heynckes fordert: „Wir müssen wieder viel mehr die Sinne für die Menschen schärfen, denen es nicht so gut geht. Es muss in Bezug auf die Ablöse oder die Gehälter zurückgerudert werden. Teilweise war das unmoralisch.“
Heynckes legt den Finger weiter in die Wunde: „Ich denke, in der Krise merken einige Vereine vielleicht auch, wie wichtig es ist, kaufmännisch klug zu agieren.“
Lob für die Arbeit der Fohlen-Bosse
Und weiter: „Nehmen wir als Beispiel einen Klub wie Borussia Mönchengladbach, der über viele Jahre seine Struktur verbessert hat, mit dem Stadion, seinem Nachwuchscampus und dem Museum und anderen Dingen. Sollte die Durststrecke länger andauern, wird auch so ein strategisch und wirtschaftlich gut aufgestellter Klub wie die Borussia Probleme bekommen. Doch er ist möglicherweise nicht so verwundbar wie der eine oder andere Verein.“
Zum Thema Geisterspiele bemerkt der gebürtige Gladbacher: „Wir alle müssen uns darauf einstellen, dass es lange Zeit nicht anders gehen wird. Bevor nicht ein Impfstoff gefunden ist, wird es, denke ich, keine Großveranstaltungen mit Zuschauern geben. Das betrifft zum Beispiel nicht nur den Fußball, auch Konzerte oder Opern- und Theateraufführungen. Das ist sehr schade, doch damit müssen wir uns abfinden.“