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Von Achim Müller

„Schlimmste Moment im Leben“ „Capitano“ so intim wie noch nie – Stindl spricht über Geburtsdrama

Lars Stindl sitzt am Küchentisch in seinem Haus in der Nähe von Düsseldorf und unterhält sich mit Sky-Reporter Riccardo Basile.

Lars Stindl (l.) sitzt am Küchentisch in seinem Haus in der Nähe von Düsseldorf und unterhält sich mit Sky-Reporter Riccardo Basile (r.).

Mönchengladbach - Wir sehen Lars Stindl. Gladbachs Kapitän steht im Garten seines Hauses, im Hintergrund sind Schaukel und Rutsche zu erkennen. Dazu ist der Song „Fame“ des Rappers „Apache 207“ zu hören. Die Kamera schwenkt weiter.

Lars Stindl so privat wie noch nie

Ein großer Grill in Edelstahloptik aus dem Hause eines namhaften Herstellers rückt ins Bild. Daneben steht ein Outdoor-Kühlschrank – unter anderem mit naturtrübem Radler gefüllt. Den Rasen schneidet nachts ein Mäh-Roboter. Stindl wohnt in einer gepflegten Gegend in der Nähe von Düsseldorf.

Im Juni 2015 heiratete Lars Stindl (r.) seine Frau Tanita (l.)

Im Juni 2015 heiratete Lars Stindl (r.) seine Frau Tanita (l.)

Sein Haus hat 320 Quadratmeter Wohnfläche. Die Miete liegt bei über 5.000 Euro im Monat. In der Nachbarschaft wohnen noch einige weitere seiner Team-Kollegen aus der Fohlen-Elf. „Matthias Ginter wohnt um die Ecke“, verrät der 32-Jährige. Das schönste Haus von allen aus der Borussen-Nachbarschaft habe der „ausgefallenste Spieler in der Mannschaft“. Gemeint ist Frankreichs Nationalspieler und Stürmer Marcus Thuram (23).

Wenn es die Zeit erlaubt, wird sich bei Stindl auch mal getroffen. Barbecue-Time. Stindl sagt: „Ich grille sehr gerne, mag es, Freunde einzuladen. Am Grill stehen – das mache ich dann gerne selbst, darauf habe ich immer richtig Bock.“

Beim Metzger im Ort ist Lars bekannt. Stindl sagt mit einem Augenzwinkern: „Klar, die kennen mich. Einer ist sogar FC-Fan, da habe ich immer Angst, dass er mir was reintut.“

All‘ das verrät Stindl „Sky“-Reporter Riccardo Basile (29), der ihn für die „Sky“-Produktion „Meine Geschichte“ im privaten Umfeld besuchen durfte. Und der „Capitano“ gibt sich in der Öffentlichkeit so intim wie noch nie. Spricht vor laufender Kamera Dinge aus, die zuvor nur dem engsten Umfeld bekannt gewesen sind.

Private Erlebnisse, die verdeutlichen, wie Mensch und Profisportler Stindl ticken. Für Dortmunds Mats Hummels ist der Gladbach-Kapitän der „Hero“. Und Hummels‘ Held sagt: „Die Kinder stehen an erster Stelle. Das ist das Schönste und Wichtigste, was es gibt.“ Und natürlich ist da noch seine Frau Tanita, die er 2015 geheiratet hat. Beide kennen sich seit der Jugend, sind im gleichen Ort aufgewachsen. Sie war 16, Lars 18, als es richtig funkte.

Stindl: „Wir haben damals gemeinsam entschieden, dass wir es mal miteinander versuchen sollten.“ 14 Jahre dauert der „Versuch“ mittlerweile an. Die beiden haben zwei Kinder, Tochter Livia (4) und Sohn Malo (1).

Stindl spricht darüber, wie schwer es damals für die ganze Familie wirklich war, als es seiner schwangeren Frau 2016 während eines Spanien-Urlaubs auf Gran Canaria Knall auf Fall gar nicht gut ging. Stindl sagt über ganz schwere Stunden, Tage und Wochen: „Meine Frau war schwanger, der errechnete Termin war im Sommer, und wir hatten damals den Entschluss gefasst, dass sie noch mal ein paar Tage in Urlaub fahren sollte, weil im Sommer hätte sie es nicht mehr gekonnt.“

Stindl stand zu diesem Zeitpunkt mit Borussia mittendrin im Kampf um die Champions-League-Plätze. „Ich hatte gesagt, nimm die Familie, nimm die Schwester mit, was meine Frau auch getan hatte.“ Der Confed-Cup-Sieger von 2017 berichtet weiter: „Ich war dann an meinem freien Tag in Karlsruhe bei meiner Familie zu Besuch. Meine Frau rief dann sonntagabends plötzlich an und sagte, dass es ein paar Probleme gebe, was die Schwangerschaft beträfe. Es war so ernst, dass klar war, dass ich nach Spanien zu meiner Frau reisen werde.“

Stindl sagt weiter: „Das war der schlimmste Moment in meinem Leben. Ich war froh, dass meine Eltern und meine Schwester da waren. Sie haben mich in diesem Moment ein wenig aufgefangen.“ Stindl reagierte prompt, kontaktierte seinen Berater und engen Vertrauten Dirk Hebel (47), ein gebürtiger Kölner. Dieser sprang seinem Klienten sofort mit Rat und Tat zur Seite.

Stindl: „Für mich war nur die Frage wichtig, wie komme ich so schnell wie möglich dahin. Er (Hebel, Anm. d. Red.) hat kühlen Kopf bewahrt und hat alles top organisiert, so dass ich so schnell wie möglich dorthin reisen konnte. Wir haben einen Notflieger gechartert, sind gegen Mitternacht Richtung Kanarische Inseln geflogen. Und waren am nächsten Morgen da.“

Stindl flog nicht alleine auf die Kanaren. Sein Vater und die Schwiegermutter kamen mit. Stindl gibt offen zu: „Ich weiß, dass es ein riesiger Vorteil in diesem Moment gewesen ist, dass ich als Fußballprofi viel verdiene und die Kostenfrage hinten anstellen konnte.“

Im Krankenhaus von Gran Canaria angekommen, musste Stindl erst einmal einige Sprachprobleme lösen. Er sagt: „Der erste Tag war hart und schlimm. Wir mussten uns erst einmal sortieren. Dann klappe es mit der Verständigung, es kam jemand, der Deutsch sprach. Auf Englisch war zuvor gar nichts gegangen. Es war dann klar, dass meine Frau keine Bewegung mehr haben durfte. Absolute Bettruhe und hoffen, dass das Kind so lange wie möglich im Bauch bleibt.“

Nach zwei Tagen war Stindl in den Sinn gekommen, dass er noch mit niemandem von Borussia gesprochen hatte. „Ich habe dann Max Eberl angerufen. Max ist da einfach top, menschlich. Der Verein hat gesagt, bleibe erst mal da. Ich war dann zehn Tage komplett vor Ort, habe ein Spiel verpasst, aber da war für mich alles andere in den Hintergrund gerückt.“

Stindl und die Familien standen Tanita zur Seite. „Es war immer einer bei ihr. Ich bin damals immer wieder gependelt. Die Saison war dann auch zu Ende, wir hatten uns für die Champions League qualifiziert. Meine Frau hat vier Wochen im Krankenhaus in Gran Canaria gelegen. Die Kleine durfte noch nicht weg, weil fliegen ist nicht erlaubt bei Frühgeburten. Diese Zeit haben wir auch abgewartet, wir waren insgesamt acht Wochen auf der Insel.“

Stindl berichtet weiter: „Es war ein wahnsinniges Gefühl, als ich meine Tochter das erste Mal im Arm halten durfte. Natürlich hätte man sich andere Rahmenbedingungen gewünscht, meine Frau hat das top gemacht. Nicht nur die Zeit im Krankenhaus, auch die Geburt selber. Das sind Momente, die vergisst du einfach nicht. Ich war bei beiden dabei.“

Sehen Sie hier den Instagram-Account von Lars Stindl

Und auch bei Sohn Malo hatten die Stindls ein Erlebnis der besonderen Art. Eine Geschichte, die zeigt, warum der ehemalige Profi vom Karlsruher SC und Hannover 96 in Gladbach der unangefochtene „Capitano“ ist.

Stindl: „Bei der zweiten Geburt, das war ja auch so ein Ding. Da hatte es gerade so gepasst. Wir hatten mit Borussia das Spiel in der Euro League beim AS Rom. Das war eine Geschichte. Wir waren montags noch beim Frauenarzt, alles war bereit. Ich sagte so, dass ich unter der Woche noch mal nach Rom müsste, der Arzt sagte so: ,Oh!‘ Ich habe dann mit dem Trainer gesprochen. Der Coach sagte dann: ,Bleib zu Hause. Wir fliegen mittwochs hin. Wenn alles ruhig bleibt, kommst du donnerstags nach. Und nach dem Spiel fliegen wir in der Nacht noch zurück'.“

Gesagt, getan. Das war im Oktober des vergangenen Jahres. Stindl: „Als ich dann donnerstags aufgestanden bin, kam das Zeichen aus der Familie, dass ich fliegen konnte. Ich bin dann um 12.30 Uhr von Düsseldorf aus mit dem Fanflieger, der voller Gladbach-Fans war, losgeflogen. Ich saß ganz vorne, das war echt witzig. Ich bin dann in Rom am Flughafen von Christofer Heimeroth (Team-Manager, Anm. d. Red.) abgeholt worden, war dann gegen 15 Uhr im Hotel. Um 17 Uhr habe ich das erste Mal die Mannschaft getroffen, dann sind wir zum Spiel – und dann gab es ja diesen Elfmeter für uns in der letzten Minute.“

Stindl verwandelte diesen an jenem Abend im römischen Dauerregen eiskalt, mit der Innenseite ganz platziert ins linke, untere Eck, zum 1:1-Endstand. Ein Schuss, wie ihn weiland Andy Brehme (60) beim WM-Finalsieg 1990 gegen Argentinien an gleicher Stelle hingelegt hatte.

Stindl: „Meine Frau sagt heute noch, dass war der entscheidende Moment, sie hatte nicht hingucken können. Sie war so aufgeregt, dass gleich am nächsten Tag das Kind gekommen ist. Sie hat mir direkt nach dem Spiel per Facetime noch in der Kabine gesagt, dass es gut wäre, wenn ich so schnell wie möglich nach Hause käme. Wir sind in der Nacht zurückgeflogen, gegen 2.30 Uhr war ich wieder daheim. Da war es noch ruhig.“

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Am Morgen danach allerdings nicht mehr. Stindl: „Meine Frau ist aufgestanden und hat gesagt: ,Ich glaube, es geht los.‘ Ich habe dann den Trainer angerufen, meinte: ,Ich komme heute nicht.‘ Er meinte so: ,Ja, alles gut.‘ Und um ein Uhr war der Kleine dann am Freitag auf der Welt.“

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Seinen bislang schwersten Moment als Fußballer? Da muss Stindl nicht lange überlegen. „Das war, als es auf Schalke diese Aktion gegeben hatte." Im April 2018. Diagnose: Syndesmosebandriss. Was die WM-Teilnahme 2018 in Russland gekostet hatte. Stindl saß an diesem Abend, nach allen Untersuchungen, immer noch in Trikot und Stutzen niedergeschlagen daheim auf dem Wohnzimmer-Teppich, als Bundestrainer Joachim Löw (60) anrief, um sich zu erkundigen, was passiert war. Stindl: „Dass ich wegen der Verletzung die WM 2018 verpasst habe, war extrem bitter.“

Seine Karriere, so Stindl, die wolle er gerne in Gladbach beenden. Sein Vertrag läuft 2021 aus. „Ich denke, ich kann der Mannschaft noch ein, zwei Jahre helfen. So viel ist sicherlich noch drin im Tank.“