GladbachLIVE-Interview Christoph Kramer vor Königsklassen-Auftakt: „Die Underdog-Rolle liegt uns“
Mönchengladbach - Mit elf Spielen und vier Qualifikationsspielen für die Champions League (für Borussia Mönchengladbach und Bayer Leverkusen) gehört Christoph Kramer (29) im Fohlen-Kader zu den erfahreneren Spielern auf europäischem Terrain. Im Gespräch mit unserer Redaktion hat der Weltmeister verraten, wie er die Chancen der Fohlen in der Königsklasse einschätzt, auf welche Partie er sich am meisten freut und, ob die jüngeren Spieler sich Tipps für ihren ersten Auftritt in der Champions League bei ihm holen.
Herr Kramer, die Partie gegen Wolfsburg war der Start zahlreicher englischer Wochen. Überwiegt bei Ihnen die Freude darauf, jetzt so viele Spiele vor der Brust zu haben oder der Gedanke an eine stressige Zeit?
Ich persönlich spiele lieber als zu trainieren. Wenn es viele Spiele gibt, ist das Training entsprechend weniger anstrengend, da mehr Regeneration auf dem Programm steht und zwischen den Spielen nicht so viel gemacht werden kann. Anders herum ist das Training natürlich sehr anstrengend, wenn nur ein Spiel pro Woche ansteht. Wenn ich mich also entscheiden müsste, würde ich immer lieber viel spielen – daher freue ich mich sehr auf die Zeit, die jetzt kommt.
In der Länderspielpause hatten einige Spieler etwas Zeit zum Verschnaufen, die Nationalspieler allerdings nicht. Zudem konntet ihr als Team kaum zusammen trainieren. Könnte das ein Nachteil sein?
Je nachdem, wie die kommenden Spiele für uns ausgehen, kann es als Vor- oder Nachteil ausgelegt werden. Wir sind als Mannschaft sehr gut zusammengewachsen, da der Großteil der Spieler in dieser Saison zusammengeblieben ist. Daher brauchen wir nicht zwangsläufig eine Länderspielpause, um Abläufe oder Ähnliches zu trainieren. Die Nationalspieler sind natürlich jetzt voll drin, aber für alle anderen war es auch sehr angenehm mal ein paar Tage zu verschnaufen.
In der Champions League startet ihr mit einem Auswärtsspiel in Mailand. Aufgrund der derzeitigen Situation rund um das Corona-Virus können eure Fans allerdings nicht dabei sein. Wird das Auswärtsspiel dadurch noch schwieriger für euch?
Generell ist noch offen, ob beziehungsweise wie viele Fans in diesen Zeiten überhaupt zugelassen werden. Es ist eine extrem schwierige Zeit für jeden – nicht nur für uns im Fußball. Wir müssen natürlich nicht darüber reden, dass Fußball mit Fans schöner ist als ohne. Es ist allerdings jetzt so wie es ist, und wir können es nicht ändern. Insgesamt glaube ich, dass in der Champions League jedes Spiel schwer ist, egal, ob zuhause oder auswärts. Da gibt es keinen dankbaren Gegner. Wir freuen uns alle sehr auf die Champions League und auf die tollen Aufgaben, die kommen. Wir haben ein ganzes Jahr dafür gearbeitet und da gehört es sich nicht, auch nur in irgendeiner Form zu meckern – egal, ob über die Anzahl der Spiele oder die Schwierigkeit der Aufgaben. Wir sollten es genießen, dass wir in der Königsklasse antreten dürfen und alles geben. Wir haben eine riesengroße Vorfreude und sind ganz weit weg davon, uns in irgendeiner Form zu beschweren.
In Mailand erwartet euch gleich zum Auftakt ein richtiger Brocken. In der vergangenen Spielzeit kam das Team bis ins Finale der Europa League, mit einigen Neuzugängen haben sie sich nun nochmals verstärkt. Wie schätzten Sie Inter ein?
Inter ist eine richtig gute Mannschaft! Ich mag auch ihren Trainer, Antonio Conte, sehr gerne. Ich finde, dass er wirklich ein guter Coach ist. Zudem hat Inter viele außergewöhnlich gute Spieler, die verschiedene Facetten mit ins Spiel bringen. Es hat schon in der vergangenen Saison viel Spaß gemacht, die Spiele in der Europa League zu verfolgen, weshalb ich mich sehr freue, dass wir jetzt auf Mailand treffen. Ich persönlich habe außerdem noch nie gegen Inter gespielt, weshalb ich mich noch mehr auf die Partie freue. Gleiches gilt übrigens auch für Donezk und Real.
Vor welchen Spielern müsst ihr besonders aufpassen?
Inter ist als Kollektiv sehr gefährlich. Es gibt aber auch außergewöhnliche Einzelspieler, wie beispielsweise Romelu Lukaku, der große Qualität hat oder auch Lautaro Martinez. Inter hat insgesamt eine sehr gute Anlage, die viel verspricht. Das Team spielt mit einer hohen Intensität, kann hoch verteidigen, tief pressen, von hinten raus Fußball spielen oder auch über Lukaku und Martinez über zweite Bälle gehen. Da kommt eine sehr facettenreiche Mannschaft auf uns zu, die sehr spielstark ist. Wir werden aber, wie in jedem Spiel, gut darauf vorbereitet sein.
Kramer: „Tino gibt uns die ein oder andere Insider-Info“
Euer neuer Mannschaftskollege Valentino Lazaro hat bei Inter gespielt. Kann er euch wertvolle Tipps geben?
Ich glaube schon, dass Tino uns da noch die eine oder andere Insider-Info geben kann. Das ist in jedem Fall etwas, das hilfreich für uns sein kann. Wir kennen die Spieler zwar selbst alle aus dem Fernsehen und wissen, wie gut sie sind. Aber natürlich ist es kein Nachteil, jemanden im Team zu haben, der täglich mit diesen Spielern trainiert hat und sie daher noch etwas besser kennt.
Auch die anderen beiden Teams in eurer Champions-League-Gruppe, Real Madrid und Schachtar Donezk, sind stark. Wie schätzten Sie Borussias Chancen aufs Weiterkommen ein?
Natürlich haben wir Ambitionen weiterzukommen, das ist ganz klar. Vorab über unsere Ziele in der Champions League oder der Bundesliga zu sprechen, macht aber keinen Sinn. Wir wissen, dass wir in dieser Gruppe sechs Mal einen guten Tag brauchen, sechs Mal eine Top-Leistung abrufen und voll da sein müssen. Auch der Spielverlauf muss passen – da kommen viele Sachen zusammen. Wir haben in der Gruppe natürlich die Underdog-Rolle, die uns aber durchaus liegt. Wir wissen, was wir können –das haben wir auch schon in der vergangenen Saison gezeigt. Wir können gegen jede Mannschaft 90 Minuten bestehen. Wir haben uns immer gut auf unseren Gegner vorbereitet und sehr gut auf viele Situationen unserer Gegner reagiert, das ist das Wichtige.
Gibt es eine Partie, auf die Sie sich am meisten freuen?
Ich tue mich schwer damit, eine Partie hervorzuheben, da es drei tolle Gegner sind. Donezk zum Beispiel finde ich sehr interessant. Real Madrid ist natürlich aus meiner Jugend das Maß aller Dinge. Damit verbindet man im Weltfußball sicherlich am meisten, weshalb es für viele wohl der attraktivste Gegner ist. Aber bei den Gegnern kann ich persönlich keinen hervorheben.
Sie haben schon elf Mal in der Champions League gespielt, viele im Kader treten aber zum ersten Mal in der Königsklasse an. Holen diese Teamkollegen sich Tipps bei Ihnen?
Nein. Die jungen Spieler kennen die Champions League ja auch aus dem Fernsehen. Natürlich hat der Wettbewerb eine besondere Strahlkraft, aber im Endeffekt ist es dennoch ein Spiel wie jedes andere. Das wissen die Jungs auch. Ich persönlich würde mich damit schwer tun, jemandem Tipps zu geben, wie es in der Champions League ist.
Nach dem Auftakt in der Königsklasse steht in der Bundesliga ein Auswärtsspiel in Mainz auf dem Programm. Ist es schwierig nach einem internationalen Match wieder in den Bundesliga-Modus umzuschalten?
Nein. Wir möchten nach Möglichkeit jedes Spiel erfolgreich bestreiten, egal ob in der Bundesliga oder in der Königsklasse. Wir müssen viele gute Ergebnisse holen, um in allen Wettbewerben am Ball zu bleiben. Außerdem brauchen wir, gerade in den Phasen, in denen wir nicht viel Zeit zum Trainieren haben, gute Ergebnisse, um in einen Flow zu kommen. Wir sind also gut beraten, jedes Spiel mit dem gleichen Engagement und der gleichen Ernsthaftigkeit anzunehmen. Und ich weiß, dass wir das auch tun werden.
Wie stark schätzen Sie Mainz ein?
Mainz hatte in der letzten Zeit viel mit Unruhe im Team zu kämpfen und einen holprigen Saisonstart. Von außen betrachtet rumort es da schon ein wenig. Wir wissen aber auch, dass in jedem Spiel alles möglich ist. Auch, wenn wir auf dem Papier wahrscheinlich der Favorit sind, müssen wir verdammt viel dafür tun, dass wir am Ende als Sieger vom Platz gehen können.