Borussia feiert Meister-Jubiläum Günter Netzer verrät diese Weisweiler-Geheimnisse
Mönchengladbach - Vor 50 Jahren hat die Gladbacher Borussia eine ganze Region in einen kollektiven Jubelrausch versetzt. Die Elf vom Niederrhein gewann Ende April 1970 erstmals die deutsche Meisterschaft. Unter Trainer-Legende Hennes Weisweiler (verstarb im Juli 1983) ging die „Schale“ auf den Bökelberg.
Netzer und Weisweiler stritten sich
Die große Ära der Fohlen-Elf in der Fußball-Bundesliga begann, es folgten noch vier weitere Meistertitel. Spieler wie Günter Netzer (75) oder Berti Vogts (73) wurden zu Superstars. In einem Interview mit der „Bild“-Zeitung hat Welt- und Europameister Netzer nun einige Details aus seiner besonderen Beziehung zu Weisweiler ausgeplaudert. Trainer und Mittelfeldregisseur waren trotz aller Erfolge immer wieder aneinandergeraten.
Netzer: „Weisweiler liebte es, wenn man mit offenem Visier dagegenhielt. Dann nannte er mich ,ne äschte Kääl’ – einen echten Kerl, auf den man sich verlassen kann. Das war das größte Kompliment.“ Allerdings konnte Weisweiler offenbar auch ganz anders mit Netzer („Dat lange Arschloch“) reden.
Netzer: Über Reibung kam Erfolg
„In schlechten Phasen war ich kein echter Kerl mehr, nicht Günter, nicht der Lange und nicht mal dat lange Arschloch. Dann war ich Herr Netzer. Manchmal, wenn wir im Kreis standen, sagte er zu Berti Vogts, was er Herrn Netzer sagen wollte. Dann wiederholte Berti, was Weisweiler gesagt und ich schon gehört hatte. Meine Antwort ging dann den gleichen Umweg. Aber am Ende ist auch über diese Reibung der Erfolg gekommen.“
Weisweiler und Netzer diskutierten auch wiederholt über die taktische Ausrichtung. Und offenbar hörte Weisweiler hier und da auf das, was ihm vom Spielmacher vorgetragen wurde. So, dass die Borussia die Defensive verstärken müsse. Was schließlich mit dem Meistertitel 1970 fruchtete.
Netzer: „Wir hatten ja schon nach dem Aufstieg 1965 durchaus für Furore gesorgt. Als junge Fohlen kannten wir nur einen Weg – nach vorne! Wir haben Schalke 11:0 weggefegt, Neunkirchen 10:0. Aber manchmal haben wir auch klare Führungen aus der Hand gegeben, weil wir zu offensiv waren. Es hieß damals, dass unserer Spielweise auch immer das Scheitern innewohnte. Mag sein, dass wir Fohlen gerade deshalb später zum Mythos verklärt wurden. Ich aber wollte nicht nur hochgelobter Zweiter sein. Mein Spiel war das nicht.“
Netzer fügt an: „Weisweiler ließ sich überzeugen, dass wir die Abwehr verstärken mussten. Und wir wurden mit den wenigsten Gegentoren Meister. Sieloff kam aus Stuttgart. Und am letzten Spieltag der Vorsaison war Weisweiler zum Abstiegsendspiel Köln gegen Nürnberg gefahren. Wir waren uns einig, dass wir vom Absteiger den Abwehrchef holen. Wolfgang Weber von Köln oder Luggi Müller vom Club. Köln gewann 3:0. Weisweiler hatte an diesem Tag keine Zeit für Formalitäten. Er redete so lange auf Müller ein, bis dieser einwilligte. Auf der nächstbesten Motorhaube eines Autos hat Müller unterschrieben. Das stelle man sich heute mal vor!“
Netzer wollte immer den Ball haben
Einer von Netzers Team-Kollegen aus der Meistermannschaft von 1970 war Winfried Schäfer (70). Der hatte jüngst der „Süddeutschen Zeitung“ erzählt: „Einmal kam Weisweiler zu mir und sagte: ,Winfried, Sie müssen nicht immer den Jünter anspielen. Sie können auch mal alleine gehen, dribbeln.’ Günter sieht das und sagt: ,Komm, fahr mit mir!’ Ich sitze also in seinem Jaguar E und er sagt: ,Du musst den Ball immer zu mir spielen! Auch wenn ich gedeckt bin!’“
Netzer sagt zu dieser Anekdote: „Davon stimmt ganz sicher jedes Wort. Aber auch das hatte natürlich einen Hintergrund. Ich hatte in jedem Spiel einen Sonderbewacher, der mich auf Schritt und Tritt verfolgt hat. Meistens war das der stärkste Defensivmann des Gegners. Ich habe immer wieder alle darauf hingewiesen, dass sie mich trotzdem anspielen sollen. Ich wusste mich schon durchzusetzen. Und vielleicht gibt es ja ein Foul und dann eine günstige Freistoß-Position für uns. Ich habe gesagt: Wenn ihr mich nicht anspielt, kann ich auch in der Kabine bleiben.“
Erster Meister-Titel als Initialzündung
Der Meistertitel vor 50 Jahren gilt als Initialzündung dafür, dass Borussia ab 1970 neben Bayern München nahezu ein Jahrzehnt lang den deutschen Fußball dominierte und der Name Mönchengladbach auch in Europa bekanntwurde. Netzer sagt zu der Ära der 70er-Jahre: „Das soll jetzt nicht hochnäsig klingen. Aber irgendwie haben wir schon gespürt, dass die Fohlen-Elf etwas Besonderes ist...“
Das ist die Mannschaft, die 1970 erstmals die Meisterschale nach Mönchengladbach holte. Der Mythos Fohlen-Elf nahm seinen Lauf.
· Tor: Wolfgang Kleff, Volker Danner.
· Abwehr: Berti Vogts, Klaus-Dieter Sieloff, Ludwig Müller, Hartwig Bleidick, Erwin Spinnler.
· Mittelfeld: Peter Dietrich, Herbert Wimmer, Günter Netzer, Winfried Schäfer, Gerd Zimmermann.
· Sturm: Herbert Laumen, Horst Köppel, Ulrik le Fevre, Werner Kaiser, Peter Kracke, Peter Meyer.
· Trainer: Hennes Weisweiler.
Im Anschluss gewann der VfL Borussia noch 1971, 1975, 1976 und 1977 die deutsche Meisterschaft.
Weitere Titel:
· DFB-Pokalsieger: 1960, 1973, 1995.
· UEFA-Pokalsieger: 1975, 1979.